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Göttrik Wewer

Open Government, Staat und Demokratie. Aufsätze zu Transparenz, Partizipation und Kollaboration

Berlin: edition sigma 2014; 363 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-8360-3600-9
Im Jahr 2009 machte Barack Obama Open Government zur Leitidee für staatliches Handeln. Ministerien und Behörden sollten sich künftig an deren Prinzipien Transparenz, Partizipation und Kollaboration orientieren. Dieses Programm blieb nicht auf die USA beschränkt, bereits zwei Jahre später wurde auf Initiative des Weißen Hauses eine internationale „Open Government Partnership“ ins Leben gerufen, der inzwischen mehr als 60 Staaten angehören. Die offensichtliche Beliebtheit dieser Idee führt Göttrik Wewer darauf zurück, dass das Konzept so offen ist, „dass man alles Mögliche hinein interpretieren kann: Open Data, Open Budget, Open Access, Open Innovation etc. pp., aber auch ‚offene Staatskunst’ […], bessere Dienstleistungen und die Bekämpfung der Korruption“ (34). Wewer hält Open Government daher für ein äußerst klärungsbedürftiges Konstrukt, zumal manche glaubten, darin „die universelle Richtschnur für Staat und Demokratie im digitalen Zeitalter gefunden zu haben“ (36). Aus verwaltungs‑ und politikwissenschaftlicher wie ‑praktischer Perspektive setzt er sich in seinen zu einem Band gebündelten Aufsätzen kritisch mit Open Government und dessen einzelnen Bausteinen auseinander, fragt nach den Ursprüngen dieser Idee und ihrer Bedeutung für Regierung und Verwaltung. Mit dem Maßstab von Karl R. Poppers Theorie der offenen Gesellschaft und von der These ausgehend, „dass demokratisches Regieren per se Open Government ist“ (50), hinterfragt Wewer die angebliche Offenheit in den Vorstellungen von Open‑Source‑Verfechtern und kommerziellen Datensammlern wie Twitter, Facebook oder Google. Open Government könne nach deren Verständnis als Rückzug des Staates gelesen werden, der nur noch als Plattform für die gesellschaftliche Selbstorganisation fungiere. „In diesem Denken“, so Wewer, „vermischt sich eine ‚linke‘ Utopie der Selbstorganisation […] mit einem ‚rechten‘ Affekt gegenüber Big Government und gegen Staat und Politik überhaupt, wie das für die kalifornische Ideologie typisch ist.“ (46) Sie stehe für den technokratischen Glauben daran, allein durch Technologie, Effizienz und Information eine bessere Politik machen zu können – was am Ende zu einer Entpolitisierung führe, wenn dies „nicht ethisch, politisch und demokratisch eingehegt wird.“ (260) Vor allem wendet sich Wewer gegen die vorschnelle und kritiklose Adaption von Open Government als Leitidee, die als „Blaupause für Deutschland“ (161) nicht tauge. Zudem sei die akademische Diskussion hierzulande geradezu naiv; mit seinem Buch möchte Wewer zu einer tiefgründigeren Debatte über Open Government anregen.
{AR}
Rubrizierung: 2.22.212.222.642.325.41 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Göttrik Wewer: Open Government, Staat und Demokratie. Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38542-open-government-staat-und-demokratie_46660, veröffentlicht am 18.06.2015. Buch-Nr.: 46660 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken