Franco. General – Diktator – Mythos
Die in Spanien gegenwärtig wieder verstärkt aufbrechende Diskussion über die Verbrechen des Franco‑Regimes (1936‑1975/77) lässt die Befassung mit der Person des Diktators Francisco Franco interessant erscheinen. In dieser historiografischen Biografie geschieht dies – erwartungsgemäß – entlang seines Lebensverlaufes. Diese chronologische Struktur wird nur insofern durchbrochen beziehungsweise aufgelockert, als der Verfasser einige Kapitel bewusst thematisch und damit zeitübergreifend anlegt. Dazu zählt etwa jenes über das Verhältnis Francos und seiner Regentschaft zur katholischen Kirche. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die kritische Betrachtung etlicher „Mythen“ (12), die sich um Person und Handeln Francos entwickelt haben. Collado Seidel weist nach, dass es keinen kommunistisch‑anarchistischen Umsturzversuch gegeben hat, dem Franco 1936 mit seinem Putsch hätte zuvorkommen müssen. Ebenso wenig sei der Umstand, dass sich Spanien aus dem Zweiten Weltkrieg habe heraushalten können, Folge einer bewussten ideologischen Distanzierung oder auch nur eines strategischen Konzepts Francos gewesen. Damit stellt sich zwangsläufig die Frage nach dem faschistischen Charakter des Regimes beziehungsweise der Überzeugungen Francos. Zweifellos war dieser, so lässt sich wohl die Quintessenz des Buches zusammenfassen, von autoritärem, militärisch‑hierarchischem Denken und einer geradezu obsessiven Freund‑Feind‑Dichotomie geprägt. Der Wunsch nach totaler Durchdringung der Gesellschaft dürfte aber wohl weniger ein Kerngedanke Francos als vielmehr ein Mittel zum Zweck gewesen sein, um die von ihm fast paranoid wahrgenommenen „Feinde des Vaterlandes“ (123) auszuschalten. Auch dass die durchaus als faschistisch zu betrachtende Organisation der Falange im Grunde von ihm nur übernommen und in ein Machtgefüge mit anderen Verbänden eingeordnet wurde, macht deutlich, dass Franco wohl eher ein „klassischer“ Militärdiktator denn ein Faschist im Sinne Mussolinis oder Hitlers war.