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Steffen Vogel

Europas Revolution von oben. Sparpolitik und Demokratieabbau in der Eurokrise

Hamburg: LAIKA Verlag 2013 (laika diskurs); 165 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-942281-47-8
Auch wenn Steffen Vogel in seiner Untersuchung ein düsteres Bild zeichnet, hat er es noch nicht aufgegeben, die fundamentale Krise des Wirtschaftssystems als Chance wahrzunehmen: Mit ihr stünden „Gesicht und Zukunft des Kapitalismus […] zur Debatte“ (31). Vogel konstatiert vor diesem Hintergrund zunächst strukturelle Schwächen der EU, die gepaart seien mit dem Fehlen einer gemeinsamen Politik und verquickt mit dem konsequenten Fehlhandeln der politischen Eliten, die durch das Mantra des Neoliberalismus getrieben seien. Die meistgehörte Antwort auf die Krisendiagnose laute daher lediglich, dass nur ein Mehr von dem, was die Ursache der Krise sei, zu deren Lösung führen könne: eine auf Eigenverantwortung abzielende Ausgabenkürzung (Streichung von Sozialleistungen) und Mehreinnahmen durch Privatisierung. Dahinter stehe stets das Totem des Wettbewerbs. Vogel zeichnet die Wechselwirkungen zwischen der alternativlosen Selbstaufgabe demokratischer Staaten, den Drohkulissen des Staatsbankrotts und einer entpolitisierten, technischen Abwicklung von ineffektiven Austeritätspolitiken nach. Nebenbei kann er mit klassischen Fehldeutungen aufräumen, wie mit der von der Reduktion der Krise auf eine staatliche „Schuldenkrise“ oder wie mit dem Märchen vom Export des deutschen Erfolgsmodells – das ja maßgeblich ein defizitäres Gegenüber verlangt. Seine Exkurse über Griechenland oder Spanien belegen dabei seine Befunde und lassen den Schluss zu, dass es um eine Krise geht, die in doppelter Hinsicht System hat: Einerseits brechen die immanenten Widersprüche des Kapitalismus ungebremst hervor und andererseits vollzieht sich in der Radikalisierung neoliberaler Methodik als Antwort darauf eine autoritäre Transformation der politischen Führung. Diese Tendenz lasse sich bestechend an der deutschen Krisenpolitik nachzeichnen, deren „aggressive Vorwärtsverteidigung des Status quo“ (94) als Paradebeispiel der kompromisslosen Durchsetzung eines Programms nach innen und außen gesehen werden könne. So eindeutig Vogels Diagnose ausfällt, so sehr kann es schließlich verwundern, dass er diesem „Europa […] am Scheideweg“ (104) nur die zwei Möglichkeiten der Fortsetzung der autoritären Tendenz oder eine Form der (Re‑)Demokratisierung prophezeit. Dabei ist er für den systemischen Ursprung der von ihm heranzitierten Postdemokratie relativ blind – seine Hoffnung auf die „Macht der Straße“ (114) und eine wahre Demokratie sollte nicht vergessen lassen, dass nicht nur autoritäre Eliten, sondern der Kapitalismus selbst seiner Reformierung enge Grenzen setzt.
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Rubrizierung: 2.61 | 2.2 | 3.1 | 3.5 | 3.6 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Steffen Vogel: Europas Revolution von oben. Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38531-europas-revolution-von-oben_43787, veröffentlicht am 18.06.2015. Buch-Nr.: 43787 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken