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Nicole Hirschfelder

Oppression as Process. The Case of Bayard Rustin

Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2014 (American Studies – A Monograph Series 254); 309 S.; geb., 39,- €; ISBN 978-3-8253-6390-1
Bayard Rustin (1912‑1987) war nach Martin Luther King eine der führenden Figuren der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Als offen homosexuell lebender Mann musste er erleben, wie der mehr und mehr erfolgreiche Kampf um Bürgerrechte für Afroamerikaner keineswegs bedeutete, dass sich Diskriminierung und subtile Formen der Ausgrenzung insgesamt auf dem Rückzug befunden hätten. Nicole Hirschfelder unternimmt in ihrer soziologisch akzentuierten Fallstudie den Versuch, die multiplen Praktiken gesellschaftlicher Unterdrückung und Marginalisierung zu erschließen. Mit Blick auf das Leben Bayard Rustins folgt sie dabei dem prozeduralen Gesellschaftsverständnis von Norbert Elias – neben Pierre Bourdieu die zentrale theoretische Referenz in der Arbeit –, dem zufolge eine statische Beschreibung sozialer Tatbestände unangemessen und unterkomplex sei. Anhand der verschiedenen Gruppen von Outsidern, denen Rustin angehörte, also hinsichtlich der Aspekte von race, Gender, Klasse oder auch der Positionierung in der Welt der Erwerbsarbeit, verdeutlicht Hirschfelder, dass Ausgrenzungsmechanismen und die gegen sie opponierenden Freiheitsbewegungen nur als komplementäre Phänomene angemessen erschlossen werden können. Mit anderen Worten: Wird der Prozess sozialer Ausgrenzung nur entlang der sichtbaren, um nicht zu sagen: offensichtlichen, Phänomene wie Unterdrückung, sprachlich oder anderweitig sich manifestierender Gewaltformen sowie sozialer Segregation untersucht, dann muss die Analyse unterkomplex bleiben. Sprachliche Praktiken, wie etwa die symbolische Aufladung bestimmter Begriffe im Sinne der herrschenden Elite und deren konkludente Kommunikation, sind für Hirschfelder unverzichtbare Hinweise auf die konkreten, in einer bestimmten Gesellschaft und zu einer bestimmten Zeit vorherrschenden Deutungsmonopole. Anhand dieser Deutungsmonopole, die den als erfolgreich anerkannten Habitus markieren, richtet sich die spezifische Konfiguration der Gesellschaft – wer gehört dazu, wer bleibt außen vor? – aus, denn die Gruppe der Außenseiter ist viel zu wenig kohärent formiert, als dass sie dieser Machtposition etwas Wirkungsvolles entgegensetzen könnte. Auch Rustin, der in so vielen Belangen ein Außenseiter war, hat das gespürt. Obwohl er sich für so viele andere Minderheiten und Ausgegrenzte einsetzte und für seine federführende Organisation des Marsches auf Washington 1963 den anerkennenden Namen „Mr. March“ (10) erhielt, blieb noch lange nach seinem Tod genau das: marginalisiert.
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Rubrizierung: 2.12.642.22 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Nicole Hirschfelder: Oppression as Process. Heidelberg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38516-oppression-as-process_46784, veröffentlicht am 11.06.2015. Buch-Nr.: 46784 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken