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Jairo Baquero Melo

Layered Inequalities. Land grabbing, collective land rights and Afro-descendant resistance in Colombia

Berlin: Lit 2014 (Politik, Gemeinschaft und Gesellschaft in einer globalisierten Welt 16); 436 S.; pb., 39,90 €; ISBN 978-3-643-90559-8
Diss. FU Berlin; Begutachtung: S. Costa. – Jairo Baquero Melo beginnt seine Analyse mit dem Hinweis auf ein Paradoxon: Die in Lateinamerika seit den 1990er‑Jahren beschleunigte landwirtschaftliche Entwicklung und die mit ihr einhergehende Landnahme werden parallel von einem politischen Prozess der Ausweitung kollektiver, auf ethnischer Zugehörigkeit basierender Landrechte begleitet. So werden historisch diskriminierten ethnischen Gruppen wie den im Mittelpunkt seiner Studie stehenden Afro‑Descendants (Nachfahren von afrikanischen Sklaven) in Kolumbien in dem Moment erstmals rechtliche Ansprüche auf Land zuteil, in dem Plantagenwirtschaften – nach Baquero Melo eine Folge neoliberaler ökonomischer Ansätze – ausufern. Der Autor fragt vor diesem Hintergrund nach dem tatsächlichen Wert dieser Rechtsgarantien im Sinne einer Kompensation für historische Ungleichheiten und eines Schutzes vor Landgrabbing‑Versuchen. Außerdem untersucht er mögliche Auswirkungen dieser Rechtsgarantien auf die Art des Widerstandes ethnischer Minderheiten gegenüber dieser Form von Landnahme. Damit verknüpft ist sein Interesse an der Entstehung von Ungleichheiten auf lokaler Ebene, bei der Kategorien wie „Klasse, Rasse und Ethnizität“ (21) eine Rolle spielen. Am Beispiel der Region von Lower Atrato in Choc Ó im Nordwesten Kolumbiens weist er die Existenz eines Mehrebenensystems von konfliktbehafteten Ungleichheiten nach, in dem sich Arbeitskämpfe mit Landkonflikten überlagern. Baquero Melo liefert dabei nicht nur Hinweise auf das Gewaltniveau dieser Konflikte, sondern zeigt beispielsweise im Kapitel zum Gewaltkonflikt in der Bananenenklave Urabá auch, wie sich der Prozess der landwirtschaftlichen Expansion, die Verdrängung von Bevölkerungsgruppen und staatliche Aufstandsbekämpfungskampagnen unter Beteiligung paramilitärischer Gruppen in den 1990er‑ und 2000er‑Jahren zu einer bürgerkriegsartigen Gemengelage verbunden haben. Als wäre dies nicht genug, ergibt sich aus den inter‑ethnischen Konflikten zwischen Mestizen und Afro‑Descendants um die ihnen nach dem Gesetz 70 von 1993 gleichermaßen zustehenden kollektiven Landrechte ein zusätzlicher Gegensatz. Zusammengenommen zeichnet Melo in seiner Analyse, die sich eigentlich auf eine geografisch überschaubare Region innerhalb Kolumbiens beschränkt, ein komplexes Bild von sich überlagernden, multikategorialen Konflikten. Diese stellen dabei nur auf den ersten Blick widersprüchliche Entwicklungen dar, deren Ursprünge in historischen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Prozessen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zu suchen sind.
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Rubrizierung: 2.652.22.222.232.262 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Jairo Baquero Melo: Layered Inequalities. Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38512-layered-inequalities_46576, veröffentlicht am 11.06.2015. Buch-Nr.: 46576 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken