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Giorgio Galli

Pasolini – der dissidente Kommunist. Zur politischen Aktualität von Pier Paolo Pasolini. Aus dem Italienischen übersetzt und eingeleitet von Fabien Kunz-Vitali

Hamburg: LAIKA Verlag 2014 (LAIKAtheorie); 200 S.; 28,- €; ISBN 978-3-944233-16-1
Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi habe in einer Fernsehshow unlängst den Begriff „‚pasolinianisch‘“ (8) verwendet, schreibt Fabien Kunz‑Vitali in seiner kurzen, aber hilfreichen Einleitung. Immer wieder seien Hinweise auf die Aktualität des linken Publizisten, Theoretikers und Regisseurs Pier Paolo Pasolini noch vierzig Jahre nach seiner Ermordung zu finden. Allerdings war Pasolini keineswegs nur ein stringent oder gar originell argumentierender Kommunist, wie sich in dieser Erörterung seiner Schriften durch Giorgio Galli, emeritierter Professor für die Geschichte der politischen Ideen an der Universität Mailand, zeigt. Als herausragendes Negativbeispiel sei seine ablehnende Haltung zur Abtreibung genannt. Filtert man seine oberflächlichen Einlassungen zu diesem Thema heraus, könnte sich schnell die Frage stellen, ob eine Beschäftigung mit seinen Schriften überhaupt noch einen Nutzen hat – er diskutiert das in Italien lange hitzig umstrittene und schließlich in einem Referendum abgesegnete Recht auf Abtreibung aus bloßer kapitalismuskritischer Sicht, ohne dabei die Betroffenen – die Frauen – überhaupt wahrzunehmen. Galli ist in diesem (ohne seinerseits die Frauen zu nennen!) und anderen zentralen Punkten denn auch keineswegs nachsichtig mit Pasolini – über dessen allzu einfache Sicht auf den Marxismus und das fast vollständige Ignorieren der Kritischen Theorie, die wunderbar seine Überlegungen hätte bereichern können, ist das Kopfschütteln geradezu herauszulesen. Galli arbeitet aber dennoch auch die Gedanken Pasolinis heraus, die tatsächlich von ungebrochener Aktualität sind: über die Rolle der Intellektuellen für die Kritikfähigkeit der Gesellschaft, vor allem aber über die Herausbildung des Konsumismus als eine neue Form des Totalitarismus mit vorgetäuschter Liberalität und Scheintoleranz. Pasolini habe dabei vor allem die Sprache als Mittel identifiziert, mit der die herrschende Klasse ihre Hegemonie ausübe – seine konkreten Gegenvorschläge zielten auf Reformen in Schule und Fernsehen. An Pasolini anschließend erörtert Galli dann, wie das Problem der demokratischen Kontrolle über die ökonomische Macht zu lösen wäre. Ähnlich wie Pasolini argumentiert er hier eher pragmatisch denn theoretisch: Die Führungskräfte der Großkonzerne, so sein Vorschlag, müssten demokratisch bestimmt werden. Insgesamt bietet der Band damit dann doch eine anregende Lektüre und gibt den Blick frei auf eine der Grundströmungen der politischen Kultur Italiens.
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Rubrizierung: 2.612.222.15.465.42 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Giorgio Galli: Pasolini – der dissidente Kommunist. Hamburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38473-pasolini--der-dissidente-kommunist_46830, veröffentlicht am 28.05.2015. Buch-Nr.: 46830 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken