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Dierk Walter

Organisierte Gewalt in der europäischen Expansion. Gestalt und Logik des Imperialkrieges

Hamburg: Hamburger Edition 2014; 414 S.; geb., 32,- €; ISBN 978-3-86854-280-6
Entgegen der heute häufig wiederholten Losung von den Neuen Kriegen stehen, so die These von Dierk Walter, die „gegenwärtigen Militäreinsätze westlicher Streitkräfte in der Dritten Welt [...] in einer langen Tradition“ (9). Jenseits allen publizistischen Sensationalismus setzte diese Art von (Kriegs‑)Einsätzen gewissermaßen die Traditionslinie gewaltsamer europäischer Expansion fort. Deren heutige Wesensmerkmale und Begründungslogiken stellten im Grunde ungebrochene Kontinuitäten eines expansiven, europäisch dominierten Systems dar, das mit ökonomischen, sozialen, rechtlichen und eben militärischen Mitteln den Staaten der globalen Peripherie seine Wirtschafts‑ und Werteordnung aufzwinge. Walter betreibt aus der Perspektive der strukturellen Kontinuität somit auch Imperialismus‑Forschung, indem er unter Hinweis auf die bewusste Vermeidung „politischer Kampfbegriffe“ im Titel des Buchs auf „die anscheinend deskriptivere ‚europäische’ Expansion’“ (12) zurückgreift, nur um dann den Imperialkrieg doch zum zentralen Untersuchungsgegenstand des Bandes zu machen. Vor diesem Hintergrund geht es ihm zunächst darum, nach den logischen Mustern organisierter Gewalt als Mittel der europäischen Expansion zu suchen. Darauf folgt die Analyse des Aufeinandertreffens imperialer und indigener Gewaltkulturen, die sich nicht nur in der Art der Kriegsführung, sondern auch der Vorstellung gegenüber der Reichweite und Grenzen von Gewalt unterschieden. Walter zeigt hier, dass „die Geschichte des Gewaltkulturkontakts [...] wenigstens so sehr von Anpassung und Lernen geprägt ist wie von Abschottung und Lernverweigerung“ (195). Dabei kam es nach Walter sogar zur Synthese von Gewaltkulturen, die zwar immer auch mit einem schlichten „Verweis auf militärischen Pragmatismus“ (229) abgehandelt werden könnte, bei ihm allerdings zur schwierig zu beantwortenden Frage nach der Interaktion und Reaktion, den Anpassungs‑ und Lernprozessen in transkulturellen Gewaltkontakten wird. Während der Imperialkrieg seinen asymmetrischen Charakter behalten hat, unterscheiden sich gegenwärtige Interventionen gegenüber den peripheren Konflikten der Vergangenheit darin, dass ein Ausschluss der medialen Öffentlichkeit von den Kriegsereignissen nicht mehr möglich scheint. Zusammengenommen zeigt Walters quellengesättigte Analyse historische Kontinuitätslinien, deren Berücksichtigung auch bei der wissenschaftlichen Klärung der Natur des liberalen Interventionismus (oder wie immer man ihn bezeichnen möchte) des vergangenen Vierteljahrhunderts hilfreich sein dürfte.
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Rubrizierung: 4.1 | 4.41 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Dierk Walter: Organisierte Gewalt in der europäischen Expansion. Hamburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38439-organisierte-gewalt-in-der-europaeischen-expansion_46611, veröffentlicht am 21.05.2015. Buch-Nr.: 46611 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken