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Britta Waldschmidt-Nelson

Malcolm X. Der schwarze Revolutionär

München: C. H. Beck 2015; 384 S.; brosch., 18,95 €; ISBN 978-3-406-67537-9
In dieser Untersuchung des Lebens und Wirkens von Malcolm X orientiert sich Britta Waldschmidt‑Nelson an der Autobiografie (siehe Buch‑Nr. 21683) des radikalen Freiheitskämpfers und gleicht diese mit anderen Quellen ab. Dabei kommen viele Aspekte zum Vorschein, die in seiner eigenen Darstellung ausgespart bleiben, unter anderem sein teilweise ins offen Misogyne tendierendes Verhältnis zu Frauen, die schwierige Jugend sowie die inneren Widersprüche seines Engagements in der Nation of Islam. Die Autorin betrachtet alle Lebensabschnitte von El‑Hajj Malik El‑Shabazz, wie er sich nach seiner Trennung von der islamistischen Organisation selbst nannte, gleichmäßig. Dadurch wird die seltsame Mischung aus religiöser Irrationalität, schwarzem Nationalismus und paramilitärischen Elementen nachvollziehbar, die zugleich sowohl die notwendige Bedingung als auch die unüberwindbare Grenze des politischen Aufstiegs von Malcolm X bildete. Das fatale Wechselspiel zwischen der Radikalität einer voll ausgebildeten Parallelgesellschaft einerseits, die andererseits in politischer Passivität und Isolation auf eine messianische Befreiung durch Allah wartet, wird direkt einsehbar. Weit davon entfernt, diese Widersprüche ausschließlich auf einen falschen Fundamentalismus zurückzuführen, bringt die Autorin außerdem auch die drastischen Umstände der in den 1960er‑Jahren immer noch komplett segregierten amerikanischen Gesellschaft mit in ihre Analyse ein. Erst vor dem Hintergrund, dass das politische System der USA selbst ganz offiziell durch die fast sechzig Jahre praktizierte „‚getrennt aber gleich‘‑Doktrin“ (122) in der Praxis nur Trennung und nicht einmal ansatzweise Gleichheit produzierte, wird die Ideologie des schwarzen Nationalismus und seine Forderung nach einem eigenen Staat ohne Weiße in das richtige Licht gerückt. Dass auch diese Doktrin letztlich aber nur eine schlechte Aufhebung der Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft darstellt, sei auch Malcolm X immer wieder daran deutlich geworden, „dass [er] trotz der von ihm propagierten Lehre, nach der alle Weißen von Natur aus Teufel seien, […] kein Auditorium verließ, ohne von der mehrheitlich weißen Zuhörerschar mit tosendem Applaus bedacht zu werden“ (154). Leider verpasst die Autorin die Chance, das auch heute noch tonangebende Dilemma zwischen Radikalismus und Reformismus, Integration in die Verhältnisse oder deren Veränderung, zwischen säkularem, christlichem oder islamischem Widerstand auf die aktuellen Debatten über den fortwährenden innen‑ sowie außenpolitischen Rassismus der USA zu beziehen. Dieses Dilemma ist das Bestimmende unserer Epoche und Malcolm X seine direkte Verkörperung.
{FG}
Rubrizierung: 2.1 | 2.64 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Florian Geisler, Rezension zu: Britta Waldschmidt-Nelson: Malcolm X. München: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38398-malcolm-x_46977, veröffentlicht am 07.05.2015. Buch-Nr.: 46977 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken