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Heidrun Zinecker

Gewalt im Frieden. Formen und Ursachen der Gewaltkriminalität in Zentralamerika

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Studien zu Lateinamerika 24); 602 S.; 99,- €; ISBN 978-3-8487-0376-0
Die Gewaltverbrechen, die Heidrun Zinecker einleitend beispielhaft aufzählt, sind schockierend. Eindringlich verdeutlicht sie so das gravierende Problem, das es mithilfe des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses zu lösen gilt: Nicht allein Kriege verursachen den unnatürlichen Tod von Menschen, sondern auch die Gewaltkriminalität in Friedenszeiten – in den gewaltintensiven Ländern Lateinamerikas ist die Mordrate heute „sogar noch höher“ (113) als während der Bürgerkriege. Aber nicht in allen Ländern ist diese Rate gleich hoch. Daher löst Zinecker, Professorin für Internationale Beziehungen am Institut für Politikwissenschaft der Universität Leipzig, folgendes Rätsel unter Einbeziehung der Kriminologie in einer vergleichenden Untersuchung: Wie sind die „Exzessivität und Persistenz der Gewalt“ in Honduras, El Salvador und Guatemala „bis weit in den Frieden hinein und lange nach der Demokratisierung zu erklären“ (18) – während gleichzeitig in derselben Region zwei weitere Länder liegen, „in denen die Gewalt um ein Vielfaches geringer ist: Costa Rica und Nicaragua“ (19). Das Beispiel Nicaragua verhindert, eine niedrige Homizid‑Rate allein mit funktionierender Demokratie und stabiler Marktwirtschaft (Beispiel Costa Rica) zu erklären. Zinecker entwirft eine anspruchsvolle Theorie, in deren Anwendung Gewaltanfälligkeit und Gewaltwirklichkeit unterschieden werden. Auf eine ausführliche Darstellung muss hier verzichtet werden; verkürzt lässt sich berichten, dass Gewaltanfälligkeit und Gewaltwirklichkeit vom demokratischen Gehalt eines Regimes und von den ökonomischen Strukturen abhängen. Für Honduras, El Salvador und Guatemala wird die zerstörerische Rolle von Remittances (Überweisungen migrierter Angehöriger) und Maquila (Produktionsstätten, die nur prekäre Arbeit bieten) herausgearbeitet, durch die Kapital und Arbeit „ganz erheblich beschädigt“ (65) werden. Die Ausformung einer für alle Beteiligten funktionierenden Marktwirtschaft wird durch diese neuere Form der Rentenökonomie – bei gleichzeitiger politischer Exklusion sowie Unzuverlässigkeit der staatlichen Institutionen – verhindert. Die Gewalt erscheint „als Substitut für einen Gewinn durch Arbeit“ (51). In Nicaragua bestehen zwar auch wirtschaftliche wie politische Mängel. Aber Remittances und Maquila spielen fast keine Rolle und die sandinistische Revolution wirkt politisch inkludierend nach, sodass die Menschen in ihrer Armut eher gleich sind und sich zugleich als aktive Mitglieder der Gesellschaft betrachten. Die Mordrate ist dort deshalb vergleichsweise niedrig.
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Rubrizierung: 2.65 | 2.2 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Heidrun Zinecker: Gewalt im Frieden. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38395-gewalt-im-frieden_46845, veröffentlicht am 07.05.2015. Buch-Nr.: 46845 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken