Skip to main content
Günter Ederer / Gottfried Ilgmann

Deutschland im Stau. Was uns das Verkehrschaos wirklich kostet

Berlin: Berlin Verlag 2014; 352 S.; geb., 19,99 €; ISBN 978-3-8270-1232-6
Der Titel des Bandes kann getrost als reißerisch bezeichnet werden – und weckt Skepsis, ob der Differenziertheit der zu erwartenden Inhalte. Im Stile einer großen Reportage versuchen die Autoren der Politik – auch das ist eine etwas arg pauschale Bezeichnung – ein nachhaltiges und zudem teures Versagen nachzuweisen. Dieses Versagen hat viele Erscheinungsformen, sei es beim Straßen‑ oder Autobahnbau, bei Brückensanierungen oder im Ausbau und Unterhalt einer angemessenen öffentlichen Schieneninfrastruktur im Nah‑ und Fernverkehr. Im Kern lautet ihre Diagnose über das „ganze Dilemma der deutschen Verkehrspolitik“: „Sie wird von ideologischen und machtpolitischen Entscheidungen geprägt und nicht von sachlichen, volks‑ und betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten.“ (14) Spätestens an dieser Stelle, nach nicht einmal zwei Seiten Text, kann man das Buch auch wieder zuklappen. Denn was ist aus politikwissenschaftlicher Perspektive davon zu halten, wenn politische, demokratisch herbeigeführte Entscheidungen per se als ideologisch diffamiert werden, wirtschaftsaffines Denken indes als die immer neutrale, angemessene und bessere Alternative dargestellt wird? Eine solche Haltung ist selbst ideologisch und hinsichtlich des Postulats heuristischer wie normativer Neutralität ökonomischen Denkens auch widerlegt, wie unlängst etwa Tanja von Egan‑Krieger in ihrer Dissertation (siehe Buch‑Nr. 46305) gezeigt hat. Das jedoch ficht die Autoren – die ihre thematische Expertise im Vorwort unter anderem mit 70.000 selbst gefahrenen Autobahnkilometern pro Jahr und 1.500 absolvierten Flügen unterstreichen – nicht an, im Gegenteil: In Sachen Verkehrspolitik sei „in Deutschland immer der Staat der verantwortliche Unternehmer, und deshalb lassen sich die chaotischen Verhältnisse in der Verkehrspolitik auch auf einen kurzen Nenner bringen: Sie dokumentieren das große Staatsversagen“ (17). Gibt es denn wenigstens Rettung? Da kommt – außer viel Wut – wenig Konstruktives. Alternative Verkehrskonzepte etwa, die auf eine verstärkte Nutzung des öffentlichen Personennah‑ und Fernverkehrs hinwirken, stehen gleich im Verdacht, bloß umerziehen zu wollen. Immerhin fällt wenigstens nicht der Begriff des Ökofaschismus. – Fazit: Was eine große Reportage sein wollte, wird am Ende ganz klein, jedoch nicht klein genug, um nicht doch noch ärgerlich zu sein.
{LEM}
Rubrizierung: 2.343 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Günter Ederer / Gottfried Ilgmann: Deutschland im Stau. Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38352-deutschland-im-stau_46317, veröffentlicht am 30.04.2015. Buch-Nr.: 46317 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken