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Burkhard Liebsch / Michael Staudigl (Hrsg.)

Bedingungslos? Zum Gewaltpotenzial unbedingter Ansprüche im Kontext politischer Theorie

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Schriftenreihe Zeitgenössische Diskurse des Politischen 8); 356 S.; 54,- €; ISBN 978-3-8487-1905-1
Unbedingte Ansprüche, also Ansprüche, die absolut notwendig und nicht einschränkbar sind beziehungsweise dafür gehalten werden, bergen in sich das Potenzial zur Gewalt, da sie unmittelbar zur Handlung zwingen, wenn sie nicht erfüllt werden. Die Herausgeber fragen im Vorwort, ob sich das Politische daher von solchen unbedingten Ansprüchen frei halten sollte oder ob darin dann nur selbst wieder ein unbedingter Anspruch steckt, der Gewalt bei denjenigen heraufbeschwört, deren unbedingte Ansprüche negiert werden. Das Politische, folgern die Herausgeber, wird also durch unbedingte Ansprüche heraus‑ und teils wohl auch überfordert, zugleich kann es aber auch zu kritisierenden Beschränkungen und Unterdrückungen durch das Politische kommen. Der Sammelband geht dem Gewaltpotenzial unbedingter Ansprüche durch verschiedene Akteure auf unterschiedliche Weise nach. Im ersten, eher konzeptionellen Teil stellen Oliver Flügel‑Martinsen und Franziska Martinsen die These auf, dass es sowohl zwischen dem unbedingten Anspruch auf Besonderheit im Verhältnis zum unbedingten Anspruch auf universelle Gleichheit als auch zwischen den verschiedenen unbedingten Ansprüchen auf Besonderheit zu einer notwendigen wechselseitigen Ausübung von Gewalt kommt. Allerdings bleibt in dieser sehr abstrakten Darstellung unklar, um welche Besonderheit es gehen und was unter Gewalt verstanden werden soll. Die beiden Autoren sehen als Ausweg aus dieser diagnostizierten Aporie nur eine negative politische Philosophie, die sich auf Kritik und Widerstand beschränkt. Im zweiten Teil geht es in eher konstruktiver Weise um den Umgang mit unbedingten Ansprüchen. Martin Endreß plädiert dafür, den bei vielen Philosophen nur als zweitbeste Lösung betrachteten Kompromiss zu rehabilitieren, da Kompromisse angesichts von widerstreitenden unbedingten Ansprüchen in pluralistischen Gesellschaften unabdingbar seien. Im dritten Teil werden schließlich Bezüge zwischen Religion und unbedingten Ansprüchen hergestellt. Dass diese nicht zwangsläufig von der Religion ausgehen müssen, zeigt Michael Staudigl anhand des Beispiels der Zerstörung der Buddha‑Statuen im afghanischen Bamiyan. Hier habe sich ein universalistischer, entsakralisierter Diskurs selbst in einen unbedingten Anspruch verwandelt, der die eigene Gewaltsamkeit gegenüber den Anderen ausblende. Es handelt sich um anspruchsvolle Beiträge, zu deren Verständnis ein Vorwissen über die zumeist referierten französischen Philosophen (Derrida, Levinas, Rancière) hilfreich ist.
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Rubrizierung: 2.252.22.232.275.415.42 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Burkhard Liebsch / Michael Staudigl (Hrsg.): Bedingungslos? Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38309-bedingungslos_46839, veröffentlicht am 16.04.2015. Buch-Nr.: 46839 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken