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Errico Malatesta

Anarchistische Interventionen. Ausgewählte Schriften (1892-1931)

Münster: Unrast 2014 (Klassiker der Sozialrevolte 23); 244 S.; 14,80 €; ISBN 978-3-89771-921-7
Der italienische Anarchist Errico Malatesta (1853‑1932) gehört zweifelsohne zu den, wie Max Nettlau das einmal ausgedrückt hat, „größten Antiquitäten in der internationalen anarchistischen Bewegung“ (7). In seiner Einleitung betont Philippe Kellermann, dass Malatesta, bevor dieser zu einer Ikone des anarchistischen Aktivismus avancierte, als „idealistischer Republikaner“ begonnen habe, weil die Idee der Republik für ihn mit den Idealen von „Gleichheit, Liebe und [...] Wohlstand“ (8) konnotiert gewesen sei. Seine Hinwendung zum italienischen Zweig der Internationalen Arbeiter‑Assoziation sei erfolgt, wie Malatesta selbst häufig betont habe, weil er sich zunehmend gezwungen gesehen habe, die vorgenannten republikanischen Ideale, noch ergänzt um echte soziale Gerechtigkeit, außerparlamentarisch durchsetzen zu müssen. Dass außerparlamentarische Opposition, was im Klartext politische Gewalt und Umsturzversuche meint, nahezu ausschließlich, wie Kellermann ausführt, eine Erfahrung des Scheiterns – verbunden mit Verfolgung und Inhaftierung – gewesen ist, ist die eine Seite der Geschichte. Die andere Seite jedoch ist die, dass die anarchistische Bewegung in Italien zum Ende des 19. Jahrhunderts eine „zunehmende Popularität“ (9) erfahren und zudem eine breite theoretische Diskussion getragen hat. Malatesta, der an diesen Diskussionen an verschiedenen Stationen seines Exils teilgenommen hat, war vom Verhältnis zwischen Theoriebildung und der Masse der Bevölkerung, das nicht in eine Isolation des einen vom anderen münden dürfe, umgetrieben: „Vor allem müssen wir unter die Menschen gehen: das ist die Rettung unserer Sache.“ (13) Noch aus dem späteren Hausarrest heraus organisierte er zwischen 1924 und 1926 die Herausgabe der Zeitschrift „Pensiero e Volontà“, die, wie Davide Turcato festgestellt hat, einige der „aufschlussreichsten Artikel der anarchistischen Literatur aller Zeiten“ (17) enthielt. Knapp dreißig dieser Texte, die Fragen des theoretischen Binnenverhältnisses von Anarchismus und Demokratie oder Revisionismus ebenso enthalten wie eine Reflexion über die Möglichkeit politischer Gewalt, nun in einem Band versammelt zu finden, erschließt einen spannenden Denkkontext vom Übergang des 19. zum 20. Jahrhundert. Zur Gewalt übrigens schreibt Malatesta: „Es steht meines Erachtens außer Zweifel, dass die anarchistische Idee als Widersacherin staatlicher Herrschaft ihrer innersten Natur nach eine Ablehnung von Gewalt bedeutet, denn Gewalt ist das Wesen jedes autoritären Systems“ (36) – eine Aussage, die angesichts der gegenwärtigen sozialen wie politischen Krisen und Verwerfungen sehr wohl eine zeitgenössische Normativität beanspruchen darf.
{LEM}
Rubrizierung: 5.435.33 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Errico Malatesta: Anarchistische Interventionen. Münster: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38282-anarchistische-interventionen_46642, veröffentlicht am 09.04.2015. Buch-Nr.: 46642 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken