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Melanie Rau

Geschlechtsbezogene Bildungsdisparitäten. Die Bedeutung der Zuschreibung gendertypisierter Merkmale und des ambivalenten Sexismus bei Jugendlichen für ihren Bildungserfolg

Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2013 (Gender Studies 24); XII, 310 S.; 89,80 €; ISBN 978-3-8300-7340-6
Diss. FU Berlin. – Während Jungen in der öffentlichen Wahrnehmung vielfach als Verlierer des Bildungssystems wahrgenommen werden, gelten Mädchen hingegen als Gewinnerinnen, schreibt Melanie Rau. Als Ursachen hierfür werden die „‚Verweiblichung der pädagogischen Beziehungen‘ oder die ‚Feminisierung des Bildungssystems‘“ (8) angeführt. Der hohe Anteil von Frauen am Lehrpersonal sei verantwortlich für das schlechte Abschneiden der Jungen im deutschen Bildungssystem. Ihnen mangele es an männlichen Rollenvorbildern, ein feminin geprägtes Schulumfeld hindere sie daran, ihr Potenzial voll zu entfalten, und Frauen neigten dazu, sie zu diskriminieren. Daher sei die Erhöhung des Männeranteils in den Lehrerkollegien ein Muss. Entsprechen diese Annahmen der Realität? Zur Untersuchung dieser Frage hat die Autorin die Rollentheorie, das Gender‑Selbst‑Sozialisierungs‑Modell und die Theorie des ambivalenten Sexismus herangezogen. Dabei ist sie zu überraschenden Ergebnissen gelangt. Jungen, die von Lehrerinnen unterrichtet werden, haben keine Nachteile zu befürchten. Hingegen haben Mädchen, die von männlichen Lehrkräften unterrichtet werden, in einigen Fächern, vor allem im mathematischen Bereich, „deutliche Nachteile“ gegenüber Jungen, die im internationalen Vergleich betrachtet sogar „relativ stark“ (4) ausfallen. Hieraus lässt sich ableiten, dass eher Benachteiligungen für Mädchen zu befürchten sind, sollte sich der Anteil von Männern am Lehrpersonal erhöhen. Dass Lehrkräfte überhaupt eine Bedeutung für den Bildungserfolg ihrer Schüler_innen haben, weist Rau ebenfalls nach. Je glaubwürdiger sie auftreten, also mit hoher wahrgenommener Kompetenz und interpersonaler Wärme, desto besser sind die Bildungserfolge. Allerdings identifiziert sie eine kleine Gruppe von Schüler_innen, die den Lehrerinnen eine auffällig geringe Glaubwürdigkeit zuschreibt: die Gruppe der ausschließlich feindselig sexistischen Jugendlichen. Für diese könnte es tatsächlich besser sein, von Männern unterrichtet zu werden. Daher empfiehlt die Autorin, Maßnahmen zu ergreifen, um feindseligen Sexismus bei Jugendlichen abzubauen. Kritisch bewertet sie „die mediale Darstellung von ‚schlauen Mädchen und dummen Jungen‘“ (276). Die verzerrte Berichterstattung führe einerseits dazu, dass der Bildungserfolg von Jungen beeinträchtigt werde und andererseits die Anstrengungen zur Förderung von Mädchen reduziert werden könnten – mit negativen Konsequenzen für deren Bildungserfolge in den naturwissenschaftlichen Fächern und anschließend am Arbeitsmarkt in den technisch orientierten, besser honorierten Berufen.
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Rubrizierung: 2.362.343 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Melanie Rau: Geschlechtsbezogene Bildungsdisparitäten. Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38238-geschlechtsbezogene-bildungsdisparitaeten_45889, veröffentlicht am 02.04.2015. Buch-Nr.: 45889 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken