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Andreas Malycha

Die SED in der Ära Honecker. Machtstrukturen, Entscheidungsmechanismen und Konfliktfelder in der Staatspartei 1971 bis 1989

Berlin: De Gruyter/Oldenbourg 2014 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 102); VIII, 471 S.; 59,95 €; ISBN 978-3-486-74709-6
Der Fall der Mauer als Tauschmittel für neue Kredite: Gerhard Schürer, Vorsitzender der Staatlichen Plankommission, wusste auf der Sitzung des Politbüros am 31. Oktober 1989 keinen anderen Rat mehr, um die Zahlungsunfähigkeit der DDR abzuwenden – nachdem seine Ermahnungen, dass das Land sich seine Sozialpolitik nicht leisten kann, seit 1971 ungehört verhallt waren, ja als unbotmäßige Kritik abgetan worden waren. Erich Honecker, der in jenem Jahr die Macht in Partei und Staat übernommen hatte, war an dieser Kritik nie interessiert gewesen, war er doch von der zentralen Bedeutung niedriger Konsumgüterpreise für den Erhalt seiner Herrschaft zutiefst überzeugt. Dass es dabei tatsächlich (auch) um seine persönliche Macht ging, zeigt Andreas Malycha, der bereits mehrfach zur SED publiziert hat (siehe auch Buch‑Nr. 37287), in dieser auf eine äußerst ergiebige Quellenarbeit gestützten Studie eindrücklich auf. Honeckers zutiefst ideologisches Denken wird etwa daran sichtbar, dass er die gerade erst etablierten Meinungsumfragen – die nicht die seiner Ansicht nach gewünschten Ergebnisse lieferten – wieder abschaffte und selbst kurz vor dem auch wirtschaftlichen Untergang der DDR immer noch nicht verstehen konnte, „warum es in der kapitalistischen Bundesrepublik gelingen konnte, ohne Planwirtschaft ein viel effektiveres Wirtschaftssystem auf die Beine zu stellen“ (340). Damit sind die beiden Schwerpunkte in dieser Studie umrissen: die Machtkonzentration in der SED auf ihr Politbüro, das wiederum den Staat gängelte, und insbesondere auf Honecker, der sich praktisch jede Entscheidung diktatorisch vorbehielt, sowie die wirtschaftliche Entwicklung der DDR, die von ebendiesem Politbüro maßgeblich gesteuert wurde. Zentrale Charakteristika dieser Steuerung waren, wie Malycha schildert, die Ausrichtung an einem Wunschdenken unter Ausblendung der Realität sowie die mangelnde Einsicht darin, dass eine innovative wirtschaftliche Entwicklung von ihren ungeplanten Momenten lebt. Unübersehbar ist außerdem die Ferne Honeckers von der Wissenschaft; deren Wert für wirtschaftliche Innovationen und damit die Notwendigkeit, diese zu fördern, waren ihm fremd. Malycha zeichnet den auch durch diese Konstellation bedingten Niedergang der SED und damit ihres Staates nach, lange durch Geheimhaltung zentraler Informationen verborgen, dann schließlich unübersehbar für jedes einfache Parteimitglied und jeden Bürger. Als die Menschen angesichts der unübersehbaren Unfähigkeit des Regimes, auf die Fragen der Gegenwart Antworten zu finden, selbst für den Fall der Mauer sorgten, war das wirtschaftliche Fundament der DDR vollständig von der SED heruntergewirtschaftet.
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Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Andreas Malycha: Die SED in der Ära Honecker. Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38216-die-sed-in-der-aera-honecker_46487, veröffentlicht am 26.03.2015. Buch-Nr.: 46487 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken