Skip to main content
Mathieu Rousselin

Widerstand. Aktuelle Texte und Filme der französischen Kapitalismuskritik

Münster: Westfälisches Dampfboot 2014; 198 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-89691-979-3
Es ist schwer zu sagen, ob Mathieu Rousselin das Porträt einer französischen Gegenöffentlichkeit zwischen den Eckpfeilern der kapitalistischen Gegenwartsgesellschaft vorstellt oder vielmehr die Gesellschaft mittels dieser „Werke der französischen Dissenskultur“ (22) porträtiert. Das Projekt beinhaltet unverkennbar beides. So wird anhand von Publizistik, Forschung, sozialphilosophischen Abhandlungen und Dokumentarfilmen durch die unterschiedlichen Aspekte der Gegenwartsgesellschaft geführt, die sich als eine verstetigte neoliberale Herrschaft mit katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt darstellt. Ob in den Publikationen Hervé Kempfs oder Dokumentationen über Tierindustrie und Arbeitsbedingungen, die Auswirkungen sind weithin bekannt und doch scheint die Hegemonie des Neoliberalismus ungebrochen. Auf der Suche nach den Stabilisierungsmechanismen findet Rousselin einen Medienapparat, der systematisch Kritik unterbindet, und eine Unterhaltungskultur der Abstumpfung und Affektkontrolle, wie er an Gilles Châtelets Werken ausführt. Die sprachliche Manipulation der Bedeutungsentleerung, die Éric Hazan thematisiert, sowie die komplette Einbindung des Individuums in die Maschinerie der Begierde ergänzen diese Entwicklung. Ihre finale Bestätigung findet diese Vorherrschaft aber in der Selbstdemontage einer sozialistischen Alternative und damit in der illusionären Abwendung der Sozialdemokratie, hin zur reformorientierten Affirmation des Status quo. In den Nischen der Dissenskultur vollzieht sich aber ebenso die Artikulation von Gegenentwürfen, etwa die Revitalisierung der Idee der Republik gegen die ökonomistisch verflachte Demokratie. Ebenso kursieren Vorstellungen von Wachstumsrücknahme und Démondialisation, deren volkswirtschaftliches Pendant sich auch in Ideen zu neuen Beschäftigungsverhältnissen findet, wie ihnen beispielsweise der Dokumentarfilmer Pierre Carles nachspürt. Doch neben den institutionellen und wirtschaftlichen Umbrüchen bedürfe es ebenso eines Wandels im Geiste der Menschen, wie der Soziologe Accardo ausführt und Rousselin an situationistischen Kampagnen gegen Werbung zeigt. Die gemeinsame Linie, die sich laut Rousselin zwischen diesen Kritiken und Entwürfen der französischen Kapitalismuskritik ziehen lässt, sei schlussendlich der Ökosozialismus. Dass dieser vielmehr nur als kleinster gemeinsamer Nenner fungieren kann, zeigt letztlich auch die Schwierigkeit an, eine negative Widerstandskultur, die sich vor allem durch ihre Kritik definiert, auf eine positive Bestimmung zu bringen, ohne sie dabei zu vereinheitlichen oder zu verkürzen.
{AST}
Rubrizierung: 2.22.224.435.42 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Mathieu Rousselin: Widerstand. Münster: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38197-widerstand_46665, veröffentlicht am 19.03.2015. Buch-Nr.: 46665 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken