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Guillaume Duval

Modell Deutschland? Nein Danke! Französische Anregungen für die Zukunft Europas und seiner Industrie. Hrsg. von Detlef Wetzel und Jörg Hofmann. Aus dem Französischen von Kirsten Heininger, Miriam Sperlich und Michael Krämer

Hamburg: VSA 2014; 213 S.; 16,80 €; ISBN 978-3-89965-617-6
Für unsere europäischen Nachbarn sind die Agenda 2010 und mit ihr der deutsche Reform‑ und Sparzwang zu Themen geworden, mit denen sie sich beschäftigen müssen – ob sie wollen oder nicht. Denn deutsche Politik wird allzu gerne von politischen wie ökonomischen Eliten auf dem ganzen Kontinent als Modell gepriesen, das es zu übernehmen und von dem es zu profitieren gelte. Guillaume Duval ist mit dieser Vorstellung, um es vorsichtig zu formulieren, wenig einverstanden und er präsentiert nicht nur gute Argumente, warum es sich ohne ständigen Lohnverzicht, die Verlängerung der Arbeitszeiten und eine reine Wachstumsfixierung vielleicht sogar besser leben ließe. Vielmehr zeigt er, und dieser Befund ist auch für Deutschland selbst überaus problematisch, wenn nicht gar beängstigend, welchen Schaden die Agenda‑Politik und die in ihrem Fahrwasser durchgesetzten Reformen bislang angerichtet haben. Nicht nur der deutsche Korporatismus, die starken Spezialisierungstendenzen im Mittelstand oder auch die ausgeprägte Arbeitnehmermitverantwortung seien – im Unterschied zu Frankreich – „Schlüsselfaktoren für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit“ (54) gewesen. Auch die Verflechtungen zwischen Banken und Industrie, die „im Begriff der Deutschland AG erfasst werden“ (57), hätten ihr Übriges dazu getan, die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland massiv zu stabilisieren. Dann kamen, so Duval, die deutsche Wiedervereinigung und danach Gerhard Schröders Reformen, deren Wirkung – auch wenn sie in neoliberalen Kreisen hoch gelobt würden – nicht überschätzt werden sollte, zumindest, wenn es um deren positive Auswirkungen gehe: „Man könnte es auch so ausdrücken: Die deutsche Wirtschaft kommt derzeit eher trotz als dank Schröder besser zurecht als andere.“ (131) Anstelle nämlich produktive Impulse für die Wirtschaft zu setzen, habe die Agenda‑Politik soziale Ungleichheit und Armut gefördert, damit den Zusammenhalt in der Gesellschaft unterminiert und zudem das Wählerpotenzial für die deutsche Sozialdemokratie massiv und langfristig beschnitten. Das alles, das weiß auch Duval, ändert indes nichts an der Tatsache, dass es derzeit auch um die französische Wirtschaft und Gesellschaft nicht allzu gut bestellt ist. Ob da ein „europäischer Green New Deal“ (200) eine gangbare, vor allem eine hinreichend konkretisierbare und attraktive Alternative darstellt, sei dahingestellt.
{LEM}
Rubrizierung: 2.3 | 2.315 | 2.342 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Guillaume Duval: Modell Deutschland? Nein Danke! Hamburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38189-modell-deutschland-nein-danke_46515, veröffentlicht am 19.03.2015. Buch-Nr.: 46515 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken