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Ulrike Marz

Kritik des islamischen Antisemitismus. Zur gesellschaftlichen Genese und Semantik des Antisemitismus in der Islamischen Republik Iran

Berlin: Lit 2014 (Politik, Gemeinschaft und Gesellschaft in einer globalisierten Welt 18); 439 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-643-12785-3
Sozialwiss. Diss. Rostock; Begutachtung: M. Junge, A. Baumer. – Der theoretische Interpretationsrahmen dieser Antisemitismusanalyse basiert auf der Kritischen Theorie. Ulrike Marz geht dabei von fünf Grundannahmen aus: Der Antisemitismus enthumanisiert und dämonisiert. Es gibt einen Unterschied zwischen Antisemitismus und Rassismus. Antisemitismus hängt nicht mit dem konkreten Handeln von Juden zusammen. Der Antisemitismus ist nicht nur ein Vorurteil, sondern ein Ressentiment. Eine Analyse darf nicht den Antisemitismus rechtfertigen, sondern muss ihn kritisieren. Die Kritik des islamischen Antisemitismus und der islamischen Herrschaft im Iran bettet die Autorin zudem ein in die Auseinandersetzung mit der Moderne. Marz geht davon aus, dass „die Kritik an der westlichen Moderne und das Wissen um ihre Widersprüche“ (58) nicht eine Kritik am Islam als Herrschaftsideologie verunmögliche. Islamisten aber lehnten den Westen und Israel prinzipiell ab, wobei für sie die Juden dort an der Spitze stehen. Marz sieht zu Recht Parallelen zwischen dem islamischen und dem europäischen Antisemitismus: Auch der islamische Antisemitismus gehe von „der Unterstellung einer geplanten Weltverschwörung der Juden und das damit verbundene Ringen nach Weltherrschaft“ (137) aus. Im Iran sei auch die Kapitalismuskritik antisemitisch verzerrt. „Der Jude“ gelte als Wucherer – wie immer unbeachtet der Tatsache, so Marz, dass Juden in der iranischen Wirtschaft keine bedeutende Rolle spielten. Marz geht zudem auf die Ideologie von iranischen Reformislamisten ein. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass der Kleriker Mahmood Taleqani „in lupenreiner antisemitischer Argumentation“ (147) gegen Juden polemisiere. Dabei würden der westliche Kapitalismus und die Juden als dem „Islamismus ein satisfaktionswürdiger Gegner“ (151) gesehen. Vor dem Hintergrund des eliminatorischen Antisemitismus und damit verbunden des Antizionismus in der iranischen Staatsideologie arbeitet Marz schließlich überzeugend die Gefahren einer iranischen Atombombe heraus. Sie schlussfolgert, dass der „Einsatz hochentwickelter Massenvernichtungswaffen“ (289) für diejenigen, die die Vernichtung eines Staates anstrebten, Sinn ergebe. Ulrike Marz setzt sich mit sehr aktuellen Problemen des islamischen Antisemitismus auseinander; ihr Werk ist hochtheoretisch und doch sehr spannend zu lesen.
{WWH}
Rubrizierung: 2.632.23 Empfohlene Zitierweise: Wahied Wahdat-Hagh, Rezension zu: Ulrike Marz: Kritik des islamischen Antisemitismus. Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38171-kritik-des-islamischen-antisemitismus_46579, veröffentlicht am 12.03.2015. Buch-Nr.: 46579 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken