Skip to main content
Jacques Rancière

Und die Müden haben Pech gehabt! Interviews 1976-1999. Aus dem Französischen von Richard Steurer

Wien: Passagen Verlag 2012; 169 S.; 22,00 €; ISBN 978-3-7092-0021-6
Der erste Band der insgesamt vierteiligen Interviewreihe mit Jacques Rancière bildet in Ergänzung zu „Die Wörter des Dissenses“ (siehe Buch‑Nr. 43162) und „Das Volk und seine Fiktionen“ (siehe Buch‑Nr. 46506) seine erste lange Schaffensperiode ab. So entsteht anhand relativ weniger Texte über einen weiten Teil seiner Wirkungsgeschichte hinweg eine, wie der Verlag es nennt, Kartografie seines Denkens. Die Interviewtexte nehmen darin systematisch Bezug auf die wichtigsten Momente der Rancière’schen Philosophie und darauf, wie diese immer wieder zusammenkommen und auch zusammengehören. Rancières frühe Überlegungen zur Ästhetik des Kinos, in der sich die Repräsentation spezifischer Aufteilungen der Gesellschaft zeige und damit reproduziere, enthält so schon die Motive, die er beinahe 25 Jahre später in seiner Theorie des Politischen ausformuliert, wobei der Politik eben die Störung einer solchen sinnlichen Aufteilung zukommt. Ähnliches gilt auch für seine Beschäftigung mit Literatur und Sprache, die einen Großteil seines Werkes auszeichnet und dabei immer verknüpft ist mit dem emanzipatorischen Projekt der Herausforderung einer spezifischen Ordnungsformation. Das Motiv, das ihm dazu als Werkzeug dient, ist, was er an einigen Stellen die „Geschichtlichkeit der Geschichte“ nennt: eine grundlegende Offenheit der gesellschaftlichen Strukturen, die dem Subjekt einen Handlungsraum ermöglicht. In unterschiedlichen Spielarten taucht die Frage nach dieser Möglichkeit auf. Der Bruch mit dem strukturalen Marxismus der Althusser‑Schule bringt ihn auf diese Fragestellung, die er in seinen großen Werken systematisch ausbaut und die in seiner literarischen Theorie ebenso Einzug findet (als Poetik im Gegensatz zur Rhetorik) wie im Laufe der 1990er‑Jahre in seine Demokratietheorie (mit einer Konzeption von Politik entgegen der polizeilichen Ordnung). Die Interviews reflektieren diese Entwicklung ebenso wie sie Auskunft über die Probleme geben, die Rancière zugleich durchläuft: seine Position als Intellektueller, der Zustand und die Zukunft der gesellschaftliche Linken oder die Aufgaben der Kunst. All das zeichnet ein lebendiges und zugleich kohärentes Bild seines Denkens, das tatsächlich als Wegweiser durch sein komplexes Theoriegebäude dienen kann.
{AST}
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Jacques Rancière: Und die Müden haben Pech gehabt! Wien: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38167-und-die-mueden-haben-pech-gehabt_46507, veröffentlicht am 12.03.2015. Buch-Nr.: 46507 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken