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Daniel Innerarity

Demokratie des Wissens. Plädoyer für eine lernfähige Gesellschaft. Übersetzt aus dem Spanischen von Volker Rühle

Bielefeld: transcript Verlag 2013 (Sozialtheorie); 263 S.; 28,80 €; ISBN 978-3-8376-2291-1
Die Rede von der Wissensgesellschaft steht seit Jahren im Zentrum von Politik und Wissenschaft. Dabei ist dieser Begriff, so lässt sich aus Daniel Inneraritys Buch herauslesen, letztlich kaum geeignet für produktive Gesellschaftsanalysen, bezieht er sich doch vor allem auf die Tatsache, dass uns die digitalen Medien theoretisch einen nahezu unbegrenzten Zugriff auf Wissen ermöglichen. Damit steigen zugleich die Erwartungen an jeden Einzelnen, sich dieses Wissen auch zunutze zu machen. In der Praxis sieht dies aber ganz anders aus: Die Flut von Daten und Informationen, der wir tagtäglich ausgesetzt sind, lässt uns paradoxerweise nach Ansicht des Autors „alle etwas dümmer werden“ (16). Woran liegt das? Zum einen sehen sich die meisten von uns durch die Überkomplexität des verfügbaren Wissens überfordert. Insofern fördern die Unmengen an Informationen eher Orientierungslosigkeit, als sie auf konkrete Handlungsstrategien verweisen. Dieser Aspekt wird zum zweiten noch dadurch verstärkt, dass der Großteil des Wissens, mit dem wir konfrontiert sind, heute aus zweiter Hand stammt, von unseren konkreten Lebenserfahrungen losgelöst und demzufolge weder unmittelbar erworben noch überprüfbar ist. Wir orientieren uns also oftmals an Informationen, deren Wahrheitsgehalt ungewiss ist und die unsere Aufmerksamkeit meist eher zufällig erregt haben. Das Leben in der „Nichtwissensgesellschaft“ (60) oder auch einer „Gesellschaft der Gerüchte“ (111), so legt der Autor dar, hat nun weitreichende Konsequenzen für eine notwendige Neuorganisation von Politik und Gesellschaft. Es bedarf der Herausbildung eines „wissenschaftlichen Bürgersinnes“ (111 ff.), der letztlich auf die Notwendigkeit einer Dezentralisierung und Demokratisierung von Entscheidungen verweist, statt diese allein von abstraktem, hierarchisch organisiertem Expertenwissen abhängig zu machen. Insbesondere im ökonomischen Bereich gilt es, neue Lebensweisen zu entwickeln, die Fortschritt nicht auf Profitstreben beschränken, sondern auf dem solidarischen und kreativen Potenzial der Menschen aufbauen. Um dieses Potenzial nutzen zu können, bedarf es indes einer neuen Kultur, mit Wissen umzugehen: einer Kultur, in der das gezielte Vergessen und Ignorieren von Informationen bedeutsamer ist als ihre pure Anhäufung.
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Rubrizierung: 2.25.42 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Daniel Innerarity: Demokratie des Wissens. Bielefeld: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38153-demokratie-des-wissens_44663, veröffentlicht am 12.03.2015. Buch-Nr.: 44663 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken