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Julian Nida-Rümelin

Der Akademisierungswahn. Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung

Hamburg: edition Körber-Stiftung 2014; 253 S.; brosch., 16,- €; ISBN 978-3-89684-161-2
Der Essay versteht sich als die Intervention eines „durchaus besorgten Bürgers“ (9), der eher Denkanstöße liefern als Rezepte formulieren will. Julian Nida‑Rümelin wendet sich erneut der Bildung zu (siehe Buch‑Nr. 43771); ihm geht es um die Folgen der Ökonomisierung der Bildungspolitik in Deutschland. Und er ist in seiner Grundausrichtung sehr deutlich: „Bildung ist kein Instrument der Arbeitsmarktoptimierung“ (194), auch wenn es durchaus legitim sei, über die ökonomischen Folgen bestimmter bildungspolitischer Settings zu reflektieren – etwa mit Blick auf den Arbeitsmarkt. Die in der deutschen Politik und Öffentlichkeit verbreitete bildungsökonomische Sicht ist nach Nida‑Rümelins Einschätzung aber problematisch. Denn sie beruhe auf der Verzahnung der quasi beliebigen quantitativen Zunahme von Akademiker_innen einerseits und den volkswirtschaftlich positiven Auswirkungen dieser Zunahme andererseits: „Die Hartnäckigkeit der bildungsökonomischen These und die auf dieser These beruhende Bildungsideologie einer kontinuierlichen und im Prinzip unbegrenzten Ausweitung des Akademikeranteils beruhen auf einem fundamentalen Denkfehler.“ (31) Dieser bestehe darin, dass – wie Nida‑Rümelin aufzeigt – die modellhaft zutreffende Annahme mit den realen Verhältnissen in Deutschland schlichtweg nicht in Einklang zu bringen sei. So sei etwa „der zu erwartende Anstieg der Realeinkommen aufgrund eines gestiegenen Bildungsniveaus [...] nicht eingetreten“ (33). Auch die beständige Fokussierung auf die sogenannten MINT‑Fächer wird problematisiert. Der Vorwurf, angesichts der Kompetenzbedarfe des Industriestandortes Deutschland bestehe ein nachgerade strukturelles Defizit bei der Fächerwahl der Studierenden, sei nicht zutreffend. Gleiches gelte für den wiederholt attestierten „generellen Medizinermangel“ (197) – in globaler Perspektive sei Deutschland immer noch eines der Länder mit der höchsten Ärztedichte, einzig deren Verteilung etwa zwischen ländlichen Räumen und Großstädten sei kritisch zu hinterfragen. Angesichts all dieser Verzahnungen von Wissenschaft – oder allgemeiner: Bildung – und Ökonomie plädiert Nida‑Rümelin schließlich für eine De‑Ökonomisierung in der Bildungs‑ und insbesondere in der Hochschulpolitik. Die Reformen der vergangenen Jahre hätten gerade die Ausbildung an den Universitäten ökonomischen Imperativen unterworfen. Hiervon müsse sich die Wissenschaft frei machen und zu ihrem eigenen Ethos – für Nida‑Rümelin manifestiert in Persönlichkeitsbildung und epistemischer Rationalität – zurückkehren. Dann könne sie auch für die demokratische politische Kultur wieder eine Rolle spielen.
{LEM}
Rubrizierung: 2.3433.5 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Julian Nida-Rümelin: Der Akademisierungswahn. Hamburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38119-der-akademisierungswahn_46473, veröffentlicht am 26.02.2015. Buch-Nr.: 46473 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken