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Daniel Stelter

Die Schulden im 21. Jahrhundert. Was ist drin, was ist dran und was fehlt in Thomas Pikettys "Das Kapital im 21. Jahrhundert"

Frankfurt a. M.: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Buch 2014; 157 S.; 14,90 €; ISBN 978-3-95601-077-4
Daniel Stelters Band für Eilige ist eine Kurzzusammenfassung, Kurzkommentierung und Kurzkritik von Thomas Pikettys „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ (siehe Buch‑Nr. 46471). Kann ein solches Unternehmen gelingen? – Es kann, allerdings ist Stelters Text kein Positivbeispiel. Denn ihm geht es weniger um die Analyse der empirisch fundierten Thesen Pikettys, dem er immerhin zugesteht, den „Zeitgeist getroffen“ und eine politisch „angenehme Antwort“ (21) auf drängende ökonomische Probleme der Gegenwart gegeben zu haben. Stattdessen nutzt er die Möglichkeit, um im Fahrwasser des „Kapitals im 21. Jahrhundert“ eigene „Einschätzungen und Bewertungen“ (20) zu propagieren, die im Wesentlichen auf zwei Kernaussagen beruhen: Piketty habe zunächst die Schuldenfrage übersehen und zudem sei Umverteilung durch progressive Besteuerung zwar ein öffentlich opportunes und von zahlreichen Experten und Institutionen befürwortetes, jedoch an sozialistische Praktiken gemahnendes Vorhaben: „Damit scheint klar, wohin die Reise geht. Angesichts der ungelösten Überschuldungsproblematik auf der einen und der hohen Vermögen auf der anderen Seite wird über den geeigneten Weg nachgedacht, beides abzubauen: die Schulden und die Vermögen. [...] Es soll niemand sagen, er sei nicht gewarnt gewesen.“ (19) Steckt im Subtext dieser Aussage mehr als die Angst vor dem Abbau exorbitant hoher Vermögen, als die Panik einer reichen Elite vor dem Verlust von Geld, Macht, Einfluss, Privilegien? Ja, denn Stelters Programmatik zielt letztlich darauf ab, dem politisch steuerbaren – und in der repräsentativen Demokratie zudem von allen mitgestaltbaren – Ansatz der Angleichung der Lebensverhältnisse und der Reduktion sozialer Ungleichheiten jede Realisierungschance abzusprechen. Wenn er Gerechtigkeit auf die „Schaffung gleicher Chancen“ (144) reduziert, dann ist das Ausweis neoliberalen Denkens, das in der Allzuständigkeitsvermutung zugunsten marktbetonender Verfahren ja gerade Motor der bestehenden Krise war und ist. Aber klar: „Pikettys Ruf nach mehr Staat geht hier in die falsche Richtung.“ (145) Dass Piketty nicht nach mehr Staat ruft, sondern lediglich betont, dass sich Demokratien ihre Gesetze – auch jenseits des Marktes – selbst geben können, ist da wohl durchgegangen.
{LEM}
Rubrizierung: 2.25.455.12.222.61 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Daniel Stelter: Die Schulden im 21. Jahrhundert. Frankfurt a. M.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38070-die-schulden-im-21-jahrhundert_46240, veröffentlicht am 12.02.2015. Buch-Nr.: 46240 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken