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Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (Hrsg.)

Memorandum 2014. Kein Aufbruch – Wirtschaftspolitik auf alten Pfaden

Köln: PapyRossa Verlag 2014; 270, 15 S.; 17,90 €; ISBN 978-3-89438-549-1
Angesichts der Dominanz und Stromlinienförmigkeit des volkswirtschaftlichen Mainstream‑Diskurses in der Bundesrepublik stellt das Memorandum 2014 der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik einen Lichtblick dar, dessen Existenz als Ausdruck einer kläglich verbliebenen Form von Multiperspektivität und Methodenvielfalt zu würdigen ist. Der Text ist das Ergebnis einer intensiven Diskussion und wird als Gemeinschaftswerk präsentiert, Einzelautoren werden nicht genannt. Stattdessen findet sich hinter der Kurzfassung des Gutachtens eine mehrseitige Liste an Unterzeichnern, die das Memorandum unterstützen. Als Gegenentwurf zum jährlichen Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) präsentiert das Memorandum Teilanalysen zu allen wichtigen (fiskalischen) Aspekten der Wirtschafts‑ und Gesellschaftspolitik. Aufgrund der keynesianischen Prägung des gesamten Gutachtens verwundert es kaum, dass die Autoren die enormen Leistungsbilanzüberschüsse der Bundesrepublik als Treiber der makroökonomischen Ungleichgewichte in der Eurozone kritisieren. Denn die über die vergangenen Jahrzehnte stetig gewachsenen Exportüberschüsse wurden durch Lohnzurückhaltung und sinkende Reallöhne erkauft. Mit Verweis auf EU und IWF wird festgestellt, dass „eine praktikable Lösung“ deshalb „nur in höheren Binneneinkommen bestehen“ (80) könne. Neben dem europäischen Krisenmanagement kritisieren die Autoren aber auch die deutsche Finanzpolitik, die aufgrund der strikten Orientierung am Haushaltsausgleich vor allem einen „Investitionsstau“ aufgebaut habe, der sich „inzwischen auf über 300 Milliarden Euro“ (145) belaufe. Alleine mit Blick auf die Bildungsinfrastruktur fordert die Arbeitsgruppe ein einmaliges Investitionsprogramm in Höhe von 45 Milliarden Euro plus 57 Milliarden Euro jährlich für entsprechende Qualitätsverbesserungen der Bildung. Mit Blick auf die gegenwärtigen Verhandlungen zur Reform des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern plädieren die Ökonomen für einen Solidarpakt III und einen Altschuldenfonds – Vorschläge, die in der politischen Diskussion eigentlich als Tabus gelten. Anregend sind aber auch die Überlegungen zu den Themen „Pflegenotstand“ (225), Energiewende und Bildungsfinanzierung. Sicherlich sind viele der Forderungen der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik finanziell allenfalls in der langen Frist zu realisieren. Wertvoll ist aber der ganzheitliche Blick, den die Ökonomen hier an den Tag legen, mit dem die Volkswirtschaft der Bundesrepublik als Bestandteil eines europäischen Wirtschaftssystems und damit nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren verstanden wird.
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Rubrizierung: 2.3422.343.53.6 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (Hrsg.): Memorandum 2014. Köln: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38065-memorandum-2014_45924, veröffentlicht am 12.02.2015. Buch-Nr.: 45924 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken