Die endgültige Bewertung seines Wirkens sei ihm nicht egal, „weil ich davon überzeugt bin, dass meine Existenz – so wie alles, was je geschehen ist – die Oberfläche des Seins gekräuselt hat, welches nach dieser meiner Welle, wie nebensächlich und unbedeutend und vergänglich sie auch war, anders ist als vorher und aus Prinzip für immer anders sein wird“ (605). Dieses Zitat von Václav Havel aus „Fassen Sie sich bitte kurz“ (siehe Buch‑Nr. 32254), das Michael Žantovský gegen Ende dieser Biografie anführt, spiegelt die Persönlichkeit Havels, der zugleich Dichter, Philosoph und Staatsmann war, zurückhaltend und herausfordernd, politisch und antipolitisch. Žantovský, langjähriger Freund und politischer Wegbegleiter des Dissidenten, dann Pressesprecher des Präsidenten, gelingt eine Lebenserzählung, in der er diese scheinbaren Widersprüchlichkeiten als stimmige Charakteristika Havels zusammenführt. Als roter Faden ist die Entschlossenheit zu erkennen, mit der Havel über 20 Jahre lang unter Einsatz seiner persönlichen Freiheit und Gesundheit mit Worten – in Theaterstücken, Essay und der Charta 77 – den Untergang des kommunistischen Regimes beförderte, den Übergang der Tschechoslowakei zur Demokratie sicherstellte, das Land in NATO und EU zu integrieren half, sich für die Rechte des Einzelnen und die Aussöhnung mit Deutschland einsetzte. Dieses tatsächliche Kräuseln der „Oberfläche des Seins“ ist sicher mehr, als die meisten Menschen im Leben erreichen können. Aber das Buch leistet noch viel mehr als einen gelungenen Rückblick auf das Leben Havels und die politische Transformation des Landes unter seiner Führung – es lädt ein, entlang seiner Philosophie über den Zustand der modernen Gesellschaft nachzudenken (zum philosophisch begründeten Anspruch, in Wahrheit zu leben, siehe auch Buch‑Nr. 45553) und wird etwa mit dem Hinweis auf eine Rede von Friedrich Dürrenmatt zu Ehren Havels über die Schweiz als eine Art Gefängnis zur gesellschaftskritischen Fundgrube. Unbedingt zu erwähnen ist schließlich, dass diese Biografie mit den Teilen, in denen Žantovský vom Einzug Havels und seiner Hippie‑Freunde in die Prager Burg erzählt, ganz sicher die lustigste ist, die je über einen Präsidenten geschrieben wurde.