Skip to main content
Johannes M. Becker / Gert Sommer (Hrsg.)

Der Libyen-Krieg. Das Öl und die "Verantwortung zu schützen"

Berlin: Lit 2013 (Schriftenreihe zur Konfliktforschung 26); 286 S.; 2. überarb. und erw. Aufl.; 24,90 €; ISBN 978-3-643-11531-7
Ein heutiger Blick auf Libyen offenbart, dass das Land auch mehr als drei Jahre nach der Militärintervention der NATO‑geführten internationalen Koalition nicht zur Ruhe gekommen ist. Inwieweit die Durchsetzung einer sogenannten Schutzverantwortung (responsibility to protect, R2P) gegenüber der libyschen Bevölkerung durch die internationale Gemeinschaft oder ein Regimewechsel das handlungsleitende Interesse der Intervenierenden war, ist nur eines der Themen dieses Bandes. Die Autoren stammen aus unterschiedlichen Fachrichtungen, vor allem aber der Politikwissenschaft und Soziologie. Bereits in der Einleitung liefern die Herausgeber, beide sind Mitglieder des Arbeitskreises Marburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Friedens‑ und Abrüstungsforschung (AMW), nicht nur eine kurze Generalabrechnung mit dem westlichen Interventionismus, sondern diagnostizieren einen Mangel an wissenschaftlicher Beschäftigung mit den Folgen von Kriegen. Warum allerdings gerade an dieser Stelle ausgerechnet darauf verzichtet wird, sich auf wissenschaftliche Quellen anstelle von YouTube, Wikipedia und Online‑Artikel zu beziehen, bleibt unerklärt. Werner Ruf behandelt den ihm zufolge im Zuge der Libyen‑Intervention erfolgten „Aufstieg der Despotien am Golf zum neuen internationalen Akteur“ (170). Während das Argument der konservativen Golfmonarchien als Status quo‑Mächte logisch erscheint, liefert sein knapper Artikel nicht genug Argumente und Belege für die von ihm vertretene These, dass kürzlich an die Macht gelangte islamistische Regierungen in der arabischen Welt – welche hier genau gemeint sind, wird leider nicht erkenntlich – für den Westen vorläufig und kurzfristig zu verlässlichen Partnern würden. Ruf begründet seine Einschätzung damit, dass diese – „im Gegensatz zu den zahlreichen neu gegründeten sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien – die einzigen Bewegungen [sind], die […] konsequent auf Marktwirtschaft und Liberalismus“ (174) setzen. Interesse finden dürfte der Sammelband bei denjenigen, die auf der Suche nach einem linkskritischen Blick auf die Entwicklungen infolge der Libyen‑Intervention sind. Anstelle der Umsetzung einer globalen Schutzverantwortung ging es nach dieser Leseart mehr um geopolitische, strategische und ökonomische Interessen der intervenierenden westlichen und arabischen Staaten. Den Herausgebern zufolge fällt die Bilanz der Libyen‑Intervention daher „katastrophal aus. Die Konsequenzen für die akuten Konfliktgebiete Syrien und Iran liegen auf der Hand: Militär und Krieg lösen keine Probleme, sie schaffen nur neue“ (14).
{CPA}
Rubrizierung: 4.412.674.34.14.224.21 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Johannes M. Becker / Gert Sommer (Hrsg.): Der Libyen-Krieg. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38032-der-libyen-krieg_42620, veröffentlicht am 05.02.2015. Buch-Nr.: 42620 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken