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Jens Adam / Asta Vonderau (Hrsg.)

Formationen des Politischen. Anthropologie politischer Felder

Bielefeld: transcript Verlag 2014 (Kultur und soziale Praxis); 390 S.; 29,80 €; ISBN 978-3-8376-2263-8
„Wo beginnt ein politisches Feld, wo endet es?“ (10) Die Antwort besteht nicht im Zeichnen scharfer Konturen, sondern im Skizzieren des Zusammenwirkens „unterschiedlicher politischer Prozesse, Gewaltformen und Machteffekte“ (9) sowie im Sichtbarmachen verschiedenster – auch selbsternannter – Akteure. Damit wird ausdrücklich ein Kontrapunkt „zu einem Schlüsselbegriff politischer Auseinandersetzungen in Zeiten der Krise“ (15) gesetzt: Die (vermeintliche) Alternativlosigkeit ist für die Autorinnen und Autoren keine Option. Vor allem aus Sicht der Kulturanthropologie und Europäischen Ethnologie brechen sie vielmehr gängige Annahmen über die Normalität auf. Jens Adam und Asta Vonderau erläutern in ihrer erhellenden Einleitung diesen Analyseansatz der „Anthropologie politischer Felder“ im Angesicht einer „‚post‑Kalter‑Krieg, neoliberalen, globalisierten Welt“ (10) – und in den Beiträgen wird eine Gegenwart sichtbar, in der alte Gewissheiten infrage gestellt werden und sich neue „Materialisierungen von Machtstrukturen“ (8) zeigen. Dass davon auch staatliche Politiken betroffen sind, wird im ersten Abschnitt deutlich. Stefan Wellgraf zeigt am Beispiel einer Hauptschule in Berlin kurz vor der dortigen Abschaffung dieser Schulform 2010, wie ein Bildungsmythos an sein Ende gelangt ist: Die Schülerinnen und Schüler glauben nicht mehr an das Versprechen der Chancengleichheit, wonach sie nur über ihre eigenen Leistungen zum Erfolg kommen können. Wellgraf sieht die tradierte Reproduktion sozialer Ungleichheit über das Bildungssystem damit ihrer Rechtfertigung entzogen und zeigt damit einen Moment auf, in dem „Herrschaftsstrukturen aufbrechen und neu justiert werden“ (62). Ein Beispiel für „Mobile Konzepte – improvisierte Ordnungen“ im zweiten Teil ist die weltweite Standardisierung in der Arbeit der Hilfsorganisation SOS‑Kinderdorf. Sarah Speck sensibilisiert in ihrem Beitrag dafür, was es heißt, Mutterschaft und die Tätigkeit als Kinderdorfmutter in Österreich und Bolivien gleich zu definieren. Im Teil über die „Reskalierungen politischer Felder“ liefert Alexandra Schwell ein Beispiel für die Neuschaffung von „Infrastrukturen der Macht“ (23): Als Reaktion auf das Schengener Abkommen hat die Polizei in Wien sich selbst überlegt, wie sie Sicherheit über „Ausgleichsmaßnahmen“ (275) schafft – und damit bewusst Verunsicherung geschaffen. Die nichtintendierten Folgen einer Veränderung in einem Politikfeld auch auf anderen Ebenen gehören, so zeigt sich damit, zum Gesamtbild. Abgerundet wird der lesenswerte Band mit zwei Beiträgen über methodische Zugänge, auch aus der gendertheoretischen Perspektive.
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Rubrizierung: 2.22.3252.3432.352.212.272.612.654.34.42 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jens Adam / Asta Vonderau (Hrsg.): Formationen des Politischen. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38013-formationen-des-politischen_44277, veröffentlicht am 29.01.2015. Buch-Nr.: 44277 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken