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Wolfgang Gieler, unter Mitarbeit von Dirk Postler

Das Politische System von Belarus. Geschichte, Grundlagen und Entwicklungsperspektiven

Berlin: Lit 2013 (Osteuropa 5); 179 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-643-11813-4
Die Unabhängigkeit der Republik Belarus 1991 hält Wolfgang Gieler, Professor für Intercultural and International Studies an der Universität Istanbul, eher für eine „Folge äußerer Entwicklungen als eines nationalen Aufbegehrens“. Es habe keine einheimische Reformelite gegeben, weshalb die Anfangsjahre „von innerer Zerrissenheit, Orientierungslosigkeit und Stagnation“ (56) gekennzeichnet gewesen seien. Wie sich das politische System des Landes seitdem entwickelt hat, wird in dieser Publikation beleuchtet. Dabei orientiert sich der Autor vornehmlich an den Präsidentschaftswahlen, da er diese als Zäsuren betrachtet. 1994 trat eine demokratisch ausgerichtete Verfassung in Kraft, mit der das Präsidentenamt geschaffen wurde. Aus den Wahlen des Jahres ging Alexander Lukaschenko, der sich mit der „Aura einer ‚Sowjet‑Nostalgie‘“ umgab und sich als „Saubermann“ (59) präsentierte, hervor. Anschließend baute er eine Präsidialverwaltung auf, der der Sicherheitsapparat unterstellt wurde, außerdem wurde eine neue Verfassung entworfen und in einem Referendum 1996 angenommen. Seither habe sich die Machtkonzentration stark zugunsten des Präsidentenamtes verschoben und, so Gieler, die hoffnungsvolle demokratische Entwicklung seit 1994 sei beendet worden. In der Folge sei „die belarussische Politik nur von wenigen Grundprinzipien geprägt, die dem Machterhalt Lukaschenkos“ dienten, wozu „Gleichschaltung des politischen Systems unter Führung des Präsidenten, die Kontrolle der Medien und Unterdrückung der Opposition, ein Konfrontationskurs mit dem Westen und das Festhalten an einer zentralen gesteuerten Planwirtschaft“ (62) zählten. Zweifelsohne handelt es sich nach Meinung von Gieler um eine Autokratie, denn die Gewaltenteilung existiere praktisch nicht. Dabei stelle sich der Präsident nach außen „weniger als Despot, sondern vielmehr als väterlicher Fürsorger […], als ‚Väterchen‘ Lukaschenko“ (115) dar. Auffallend sei, dass trotz seiner autoritären Maßnahmen, wie etwa den Wahlmanipulationen, über einen langen Zeitraum eine große Zustimmung für seinen Kurs in der Gesellschaft geherrscht habe. Doch seit den Präsidentschaftswahlen 2010, bei denen es zu massiven Protesten gegen das Regime gekommen sei, die „brutal“ (76) unterdrückt worden seien, und dem Niedergang der Wirtschaft 2011 lehnten immer mehr Menschen seine Politik ab. Allerdings trete die Opposition wenig einheitlich auf, weshalb die Chance auf eine Transformation kurz‑ und mittelfristig als gering einzuschätzen sei. Gieler sieht Belarus als Sonderfall, denn im Gegensatz zu den Nachbarstaaten, in denen sich ein Demokratisierungsprozess in Gang gesetzt habe, habe unter Lukaschenko seit 1996 eine „Resowjetisierung“ (15) stattgefunden.
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Rubrizierung: 2.622.212.224.22 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Wolfgang Gieler, unter Mitarbeit von Dirk Postler: Das Politische System von Belarus. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38012-das-politische-system-von-belarus_44158, veröffentlicht am 29.01.2015. Buch-Nr.: 44158 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken