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Jochen Staadt (Hrsg.)

Schwierige Dreierbeziehung. Österreich und die beiden deutschen Staaten

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2013 (Studien des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin 18); 298 S.; geb., 39,95 €; ISBN 978-3-631-64045-6
Dass dem nationalsozialistischen Großdeutschland drei (und nicht zwei) Staaten nachfolgten, ist nach Kriegsende schnell aus dem Blick geraten. Die gemeinsame Sprache aber blieb ein Reservoir, aus dem sich auch weiterhin für die politische Arbeit schöpfen ließ. Dies zeigen die Aufsätze des Bandes, in denen die Beziehungen zwischen der DDR und Österreich und dabei vor allem die der ostdeutschen und österreichischen Kommunisten im Mittelpunkt stehen – die Bundesrepublik, die für das dem sowjetischen Zugriff entronnene und demokratische Österreich die politisch wie wirtschaftlich weitaus wichtigere Partnerin war, spielt hier eher eine rahmengebende Rolle (Stichwort: Hallstein‑Doktrin), die eine zu ungebremste Annäherung verhinderte. In seiner ausführlichen Einleitung geht Jochen Staadt zunächst auf einige Österreicher ein, die ein Leben in der DDR vorzogen, etwa Hanns Eisler, Komponist von „Auferstanden aus Ruinen“, und sein Bruder Gerhart. Die Verbindungen zwischen den kommunistischen Parteien bauten durchaus auf gemeinsamen Exilerfahrungen auf, auch blieb die KPÖ lange auf dem von der Sowjetunion vorgegebenen Kurs und rechtfertigte sogar die Niederschlagung des Aufstands in Ungarn. Mit dem Auftreten erster ideologischer Differenzen wurde allerdings schnell deutlich, wie wenig belastbar die Beziehungen tatsächlich waren. Lesenswert dazu ist der Beitrag von Maximilian Graf und Michael Rohrwasser (im Inhaltsverzeichnis fehlen leider die Autorenamen), sie rekapitulieren die nur angedachte und schon im Ansatz gescheiterte Sowjetisierung Österreichs, die marginale Rolle der KPÖ als politische Kraft und den ideologischen Haarriss, der mit der Kafka‑Konferenz 1963 auftrat – die SED lehnte die vom Österreicher Ernst Fischer unter Rückgriff auf das Werk des Schriftstellers diagnostizierte „Entfremdung im Sozialismus“ (159) ab: „‚Fischer möge doch in Gottes Namen [sic] den Kapitalismus in Österreich zersetzen, aber nicht den Sozialismus in der DDR, den er doch ohnehin nicht begreife‘“ (170 f.), so ein Zitat. Die Zusammenarbeit in einem anderen Bereich verlief ohne Misstöne, wie der Beitrag von Malte Fischer über die Novum Handelsgesellschaft mbH zeigt. Das SED‑Unternehmen wurde 1951 als KPÖ‑Eigentum getarnt gegründet, um westliche Handelsbeschränkungen zu umgehen und Devisen zu erwirtschaften. Nach dem Mauerfall wurde versucht, mit dieser Firma In‑ und Auslandsvermögen der SED zu verschieben und zu verschleiern, obwohl es den neuen Bundesländern zusteht. Ein letztes Verfahren dazu ist noch immer – was dem Buch eine seltsame Aktualität verleiht – vor einem Schweizer Gericht anhängig.
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Rubrizierung: 2.42.3132.3142.224.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jochen Staadt (Hrsg.): Schwierige Dreierbeziehung. Frankfurt a. M. u. a.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37984-schwierige-dreierbeziehung_44212, veröffentlicht am 22.01.2015. Buch-Nr.: 44212 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken