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Arne Hordt

Von Scargill zu Blair? Der britische Bergarbeiterstreik 1984-85 als Problem einer europäischen Zeitgeschichtsschreibung

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2013 (Moderne Geschichte und Politik 26); 124 S.; geb., 24,95 €; ISBN 978-3-631-62511-8
Der einjährige Arbeitskampf britischer Bergarbeiter für den Erhalt der staatlichen Kohleindustrie von 1984 bis 1985 gilt als bedeutendes Ereignis der jüngeren britischen Zeitgeschichte, er steht „wie kein zweites Ereignis für den Kampf um den britischen Sozialstaat“ (115). Er habe zwar eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung in Form von Film, Musik und Romanliteratur erfahren, schreibt Arne Hordt, doch gebe es kaum „wissenschaftlich brauchbar[e] Literatur“ (11) zu diesem Thema. Wie der Untertitel bereits andeutet, ist daher auch nicht der Streik selbst Gegenstand dieser Untersuchung. Vielmehr geht es dem Autor darum, über eine kritische Auseinandersetzung mit der vorhandenen sozialwissenschaftlichen und historischen Literatur über den „Miners’ Strike“ mögliche Zugänge für eine neue Sicht auf dieses Ereignis zu entwickeln. Dem Leitbild einer „Arbeitnehmergeschichte als Gesellschaftsgeschichte“ (24) folgend, unternimmt Hordt zunächst eine Neubewertung der historischen Bedingungen des Streiks. Hierfür geht er auf die zeitgenössischen Debatten über besonders prägende Entwicklungen der 1980er‑Jahre in Großbritannien ein. Dazu zählen die allgemeine Niedergangsrhetorik (Declinismus) dieser Zeit sowie konkret der wirtschaftliche Strukturwandel und der Thatcherismus. Außerdem dekonstruiert Hordt den für die ältere Sozialgeschichte zentralen Klassenbegriff. „Mit der Historisierung der Kategorien der 1980er‑Jahre ist ein entscheidender Wendepunkt in der Möglichkeit der zeithistorischen Erforschung der Phänomene jener Zeit eingetreten. Es ist jetzt möglich, die untersuchte Zeit in ihrer Differenz zur Gegenwart, also als Vergangenheit wahrzunehmen.“ (59) Aus dieser Perspektive erweist sich der größte Teil der vorhandenen wissenschaftlichen Untersuchungen als historische Quelle. Bei der Sichtung der zeitgenössischen journalistischen und sozialwissenschaftlichen Literatur über den Bergarbeiterstreik unterscheidet der Autor mit New Labour, der sympathisierenden Forschung und der unternehmenshistorischen Schule drei wesentliche Deutungsmuster. Gemeinsam ist diesen im Kern divergierenden Deutungen, dass die eigentliche Entstehung des Streiks nicht problematisiert wird, was Hordt zufolge ideologischen, politischen und wissenschaftlichen Gründen geschuldet ist. Ein wesentliches Ergebnis dieser Arbeit ist die Feststellung, dass es sich bei dem Bergarbeiterstreik um ein historisches Ereignis handelt, das es in einer europäischen und regionalen Perspektive neu zu erforschen gilt.
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Rubrizierung: 5.22.612.22 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Arne Hordt: Von Scargill zu Blair? Frankfurt a. M. u. a.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37983-von-scargill-zu-blair_44211, veröffentlicht am 22.01.2015. Buch-Nr.: 44211 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken