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Hans-Jochen Vogel / Erhard Eppler / Wolfgang Thierse

Was zusammengehört. Die SPD und die deutsche Einheit 1989/90

Freiburg i. Br./Basel/Wien: Herder 2014; 288 S.; geb., 19,99 €; ISBN 978-3-451-33381-1
Respekt für Helmut Kohl: Hans‑Jochen Vogel, zu Wendezeiten Oppositionsführer im Bundestag, betont, dass sich der damalige Kanzler natürlich „um die deutsche Einheit in besonderer Weise verdient gemacht hat“ (174). Was er und seine SPD‑Co‑Autoren Erhard Eppler und Wolfgang Thierse aber klarstellen wollen: Auch die Sozialdemokraten leisteten einen wesentlichen Beitrag zum friedlichen Ende der Zweiteilung Deutschlands. Sie treten damit Vorwürfen entgegen, dass ihre Partei damals die Wiedervereinigung verzögert oder gar eine zu große Nähe zur SED gehabt habe. Die Autoren skizzieren die geschichtlichen Abläufe der Wendezeit und ihre eigene Rolle. Für die SPD sei im Wendeprozess das Selbstbestimmungsrecht der Ostdeutschen maßgeblich gewesen, auch in der damals offenen Frage der Eigenstaatlichkeit der DDR. Vogel kritisiert jedoch die Äußerungen seines Ex‑Parteikollegen Oskar Lafontaine: Der habe damals etwa vorgeschlagen, „die Inanspruchnahme des westdeutschen Sozialsystems durch DDR‑Flüchtlinge“ (72) einzuschränken. Vogel relativiert dies als eine vom Parteikonsens abweichende Forderung im Kontext des saarländischen Wahlkampfes, der geprägt gewesen sei von Sorgen vor einer Überforderung durch die Flüchtlingsströme aus dem Osten. Eppler war damals Vorsitzender der Grundwertekommission der SPD und damit maßgeblich an den sogenannten Ideologiegesprächen mit der SED beteiligt. Die Akzeptierung der antidemokratischen Staatspartei als legitimen Gesprächspartner wurde besonders von Konservativen als Verrat gebrandmarkt. Eppler bedauert heute noch, dass sich nur mit dem vordergründigen Tabubruch, aber nicht mit den für die damaligen Ost‑ und Westverhältnisse progressiven Inhalten der Gespräche auseinandergesetzt wurde. Thierse beschreibt im letzten Teil des Buches, wie er als DDR‑Bürger und späterer Volkskammerabgeordneter das „Jahr der Wunder 1989/90“ (237) erlebte. Westdeutschland sei er als dort Geborener besonders verbunden gewesen, deshalb habe er immer trotzig an der Hoffnung auf Wiedervereinigung festgehalten. Thierse benennt die SED‑Diktatur als solche, möchte aber nicht alles über einen Kamm scheren: „Ich will nichts beschönigen, aber auch nichts dramatisieren. Es gab in der DDR keinen Hunger, sondern mehr als genug zu essen und zu trinken; es gab ein hohes Maß an sozialer Sicherheit und keine materielle Zukunftsangst“ (241). Durch den Wegfall von kaufbaren Statussymbolen hätten außerdem Werte wie Vertrauenswürdigkeit, Solidarität und Zuverlässigkeit eine große Bedeutung gehabt.
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Rubrizierung: 2.3152.331 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Hans-Jochen Vogel / Erhard Eppler / Wolfgang Thierse: Was zusammengehört. Freiburg i. Br./Basel/Wien: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37971-was-zusammengehoert_46321, veröffentlicht am 15.01.2015. Buch-Nr.: 46321 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken