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Oliviero Angeli / Thomas Rentsch / Nele Schneidereit / Hans Vorländer

Transzendenz, Praxis und Politik bei Kant

Berlin: Akademie Verlag 2013; 209 S.; geb., 84,95 €; ISBN 978-3-05-006284-6
In der bisherigen Kant‑Rezeption sei, so die Annahme der Herausgeber, angesichts der Fokussierung auf den „Überschwang [...] der menschlichen Vernunft“ die Rolle des Transzendenten zu sehr aus dem Blick geraten. Dem gelte es entgegenzuwirken. Transzendenz, ein Begriff, der so explizit bei Kant nicht auftritt, sondern nur adjektivisch präsent ist, meint dabei „das Unsinnliche, das Unbedingte und in Bezug auf unser Erkenntnisvermögen auch das Unverfügbare“ (9). Hieraus wird die epistemologische Relevanz des Transzendenten erfassbar: Insofern es die menschliche Vernunft zur Auseinandersetzung zwingt, werden Fragen der Erkenntniskritik überhaupt möglich. Wie sehr es angesichts einer ungeheuer großen Grauzone zwischen der reinen Vernunft und dem völlig Transzendenten der Erkenntniskritik bedarf, zeigt etwa der Beitrag von Christoph Binkelmann. Da eine politische Ordnung – bei Kant idealtypisch die Republik – nicht bloß auf Vernunft basieren könne, sondern in Form von Gemeinwohl und Moral auch weiche Integrationsfaktoren brauche, spiele das Transzendente in der Republik eine entscheidende Rolle. Indem es die Abstraktion von den eigenen, egoistischen Interessen ermögliche und das Individuum als Bürger somit gleichsam aus sich heraustreten lasse, stabilisiere es die intersubjektiven Verhältnisse maßgeblich. Binkelmanns Beitrag repräsentiert den ersten Teil des Bandes, in dem es wesentlich um politische Bezüge des Transzendenten geht. Im zweiten Teil geht es stärker um das Transzendente selbst. Thomas Rentsch untersucht Kants Analyse der Sünde und die Frage nach dem radikal Bösen. Das Böse und die Sünde, so zeigt Rentsch, sind integraler Bestandteil der „Sinnbedingungen aller unserer Freiheitspraxis“ (163): Ebenso wie das Gute ist das Böse in der Welt, und es obliegt dem vernünftigen Menschen, von seinen Wahlmöglichkeiten immer wieder den richtigen Gebrauch zu machen, ohne im Vorhinein zu wissen, was dieser richtige Gebrauch konkret sein kann. Die Beiträge des Bandes gehen auf zwei Tagungen zurück, die im April 2010 und im Juni 2011 im Dresdener Sonderforschungsbereich „Transzendenz und Gemeinsinn“ stattgefunden haben.
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Rubrizierung: 5.33 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Oliviero Angeli / Thomas Rentsch / Nele Schneidereit / Hans Vorländer: Transzendenz, Praxis und Politik bei Kant Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37875-transzendenz-praxis-und-politik-bei-kant_44262, veröffentlicht am 11.12.2014. Buch-Nr.: 44262 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken