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Martin Sabrow (Hrsg.)

Das Jahrhundert der Gewalt

Leipzig: Akademische Verlagsanstalt 2014 (Helmstedter Colloquien 16); 171 S.; brosch., 19,- €; ISBN 978-3-931982-87-4
Vielleicht war keine andere Epoche in der Geschichte der Menschheit so sehr von Gewalt geprägt wie das 20. Jahrhundert mit seinen Kriegen und Genoziden. Auf den 19. Helmstedter Universitätstagen im September 2013 wurden Ursachen und Erklärungsmuster für die „Gewaltentäußerung“ in diesem Zeitraum, aber auch für Tendenzen der „Gewalteinhegung“ (7) zu seinem Ende hin diskutiert. Ausgehend von der grundlegenden Unterscheidung zwischen legitimer und illegitimer Gewaltausübung und deren Konkretisierung als „physische Gewalt, körperliche Versehrung“ (13) stellen die Autorin und die sieben Autoren des Tagungsbandes einzelne Teilstücke einer Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts vor. Sie spannen den Bogen vom Ersten Weltkrieg bis zu den neuen Kriegen (Herfried Münkler) der Gegenwart. Die dabei überwiegend eingenommene historische Perspektive wird zum Ende hin durch politologisch und soziologisch ausgerichtete Überlegungen ergänzt. Der in Chicago lehrende Historiker Michael Geyer befasst sich mit der Frage der Zwangsläufigkeit des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs. Angesichts der in der Forschung in den zurückliegenden Jahren herausgearbeiteten „Wandlungsfähigkeit der östlichen Imperien“ (34) (des Deutschen, des Russischen und des Habsburgerreiches) war, trotz aller gesellschaftlichen Probleme, der Weg in den Krieg keinesfalls vorgezeichnet. Dennoch waren umfangreiche Wandlungsprozesse nötig, die jedoch nicht unbedingt hätten gewaltsam ablaufen müssen. Ein Beispiel von (weitgehender) Gewaltfreiheit solcher Prozesse schildert der in Potsdam und Berlin lehrende Historiker und Herausgeber Martin Sabrow: nämlich die Revolutionen in Ostmitteleuropa von 1989. Als Hauptgrund dafür identifiziert er die „säkular[e] Abkehr von der Gewalt, die das europäische Zeitalter nach 1945 von der Gewaltfixierung vor 1945 unterscheidet“ (139) – im Gegensatz etwa zum Beispiel China, wo eine ähnliche Protestbewegung im Tian’anmen‑Massaker blutig niedergeschlagen wurde. Ähnlich konstatiert auch sein Potsdamer Kollege Jan C. Behrends für den postsowjetischen Raum: Gewalt blieb lange „eingehegt“, erscheint aber „jederzeit wieder entfesselbar“ (110).
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 4.1 | 4.41 | 2.25 | 2.313 | 2.331 | 2.61 | 2.64 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Martin Sabrow (Hrsg.): Das Jahrhundert der Gewalt Leipzig: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37842-das-jahrhundert-der-gewalt_46360, veröffentlicht am 27.11.2014. Buch-Nr.: 46360 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken