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Clemens Sedmak

Armutsbekämpfung. Eine Grundlegung

Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag 2013; 370 S.; 39,- €; ISBN 978-3-205-79468-4
Armut – ein, wie man nach Lektüre des Bandes feststellen muss, ungeheuer komplexes und vielgestaltiges soziales Phänomen – ist in diesem so reichen Land wieder ein Thema geworden: „Verfestigte Armut ist eine Lebensform wie eine dicke Eisdecke, die nicht aufgebrochen werden kann [...]. Das Grundanliegen dieses Buches ist dieser Gedanke: Verfestigte, signifikante und selektive Armut soll nicht sein. Das ist ein normativer Anspruch, der einzulösen ist.“ Ausgehend von dieser klar normativen Zielsetzung liefert der Band dreierlei: die Zusammenschau einer Vorstellung vom guten Leben mit den Diskursen über Armut und Armutsbekämpfung, all das illustrativ unterlegt mit konkreten Beispielen und entwickelt von einem Standpunkt, der versucht, „Armut(sbekämpfung) von der Innerlichkeit des Menschen her zu verstehen“ (9). Hinsichtlich des Nachdenkens über Armut ergeben sich für Sedmak „vier [...] Protosituationen“ (22): die des Staunens über die Tatsache, dass es Armut überhaupt gibt; die des Zweifelns ob ihrer Notwendigkeit; die der Wut und die der Scham über und angesichts ihrer Existenz. Alle diese ethischen Haltungen können gegenüber „Armutssituationen“ eingenommen werden, die – Stichwort Komplexität und Vielgestaltigkeit – in allen nur erdenklichen Politikbereichen auftreten können. Denn: „Eine Armutssituation ist eine Lebenslage, die durch spezifische Mängel gekennzeichnet ist; diese Mängel können sich beziehen auf ‚materielle Güter’, ‚Gelegenheiten’, ‚Zugang zu Fähigkeiten’, ‚Zugang zu fundamentalen gesellschaftlichen Kontexten wie Arbeit, Bildung, Gesundheit, Recht’, ‚Zugang zu Land’“ (282). Wird mit der Behebung solcher Defizite die Politik betraut – die in komplexen Gesellschaften die Zuständigkeit über kollektiv bindende Entscheidungsfindung innehat –, sind mit diesem Auftrag für Sedmak zweierlei Hoffnungen verbunden: Eine an der Behebung dieser Defizite interessierte Politik müsse auch der Vorstellung einer guten Gesellschaft folgen. Und gründe die politische Praxis auf dem Handeln von Menschen, wäre Armutsbekämpfung stets ein zwischenmenschliches, auf Verständigung ausgerichtetes Anliegen. „‚Wege aus der Armut’“, so heißt es im Epilog des Bandes, der – und das ist keineswegs abwertend gemeint – eher Ideensammlung, Reservoir voller Anregungen und somit Ausgangspunkt für ein Weiterdenken ist, sind stets auch „Brücken zwischen Menschen“ (289.) Es braucht bloß Menschen, die diese Brücken auch überschreiten.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.424.45 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Clemens Sedmak: Armutsbekämpfung. Wien/Köln/Weimar: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37770-armutsbekaempfung_45042, veröffentlicht am 13.11.2014. Buch-Nr.: 45042 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken