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Sebastian Reinfeldt

"Wir für Euch". Die Wirksamkeit des Rechtspopulismus in Zeiten der Krise

Münster: Unrast 2013 (Edition des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung im Unrast Verlag 33); 142 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-89771-762-6
Vor dem Hintergrund der dominanten Diskursivierung der Finanzkrise als permanenter Notstand nimmt Sebastian Reinfeldt die Gleichzeitigkeit zweier Krisenphänomene der europäischen Demokratien in den Blick, deren Zusammenwirken vielfach postuliert, aber nur selten untersucht worden ist. Da ist einerseits der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien, die grundlegende liberaldemokratische Werte zur Disposition stellen, und andererseits die Hegemonie des Neoliberalismus, die den Staat zum „Handlanger der Verwertungsinteressen des ‚Kapitals‘“ (9) macht und Institutionen hervorbringt, deren Legitimation nicht in erster Linie formal‑demokratischen Regeln folgt, sondern auf demokratietheoretisch fragwürdigen Sachzwangargumenten und Notwendigkeitspostulaten gründet. Doch wie wirken Neoliberalismus und Rechtspopulismus zusammen? An welchen Punkten fusionieren sie? Um solche Fragen zu beantworten, komponiert Reinfeldt „entlang der theoretischen Linie Gramsci‑Foucault“ eine kritische Diskursanalyse, die jene „diskursiven Muster“ (48 f.) identifiziert, die bestimmte Deutungen von Politik und Gesellschaft hegemonisieren. Das analytische Kernstück dieses kritisch‑emanzipatorischen Projekts bildet das „Viereck des Völkischen“ (50), das Reinfeldt bereits an anderer Stelle aus dem von Algirdas Greimas definierten semiotischen Viereck ableitet, um ein allgemeines rechtspopulistisches Skript sichtbar werden zu lassen. So kann Reinfeldt anhand einschlägiger Diskursfragmente aus Deutschland und Österreich beispielsweise zeigen, dass die „‚Kultur der Gefahr‘“ (135), die bereits Foucault als Spezifikum einer neoliberalen Regierungsweise identifizierte, ebenfalls ein konstitutives Moment des Rechtspopulismus darstellt. Gemeinsam erzeugen Neoliberalismus und Rechtspopulismus ein „Dispositiv der Unsicherheit“ (136), das uns pausenlos daran erinnert, dass die Unsicherheit allgegenwärtig ist und dass ihr so und nicht anders zu begegnen ist. Reinfeldts Arbeit macht deutlich, dass es analytisch wenig gehaltvoll und politisch wenig vielversprechend ist, den rechten Populismus als wirklichkeitsverzerrende Ideologie zu marginalisieren oder auf eine bloße Folge einer ursächlichen Krise zu reduzieren. Stattdessen sollte der rechte Populismus als „politische Technologie“ gelesen werden, deren Effekt darin besteht, dass sie „popularen Widerstand in Formen autoritärer Demokratie [transformiert] und zur Selbstunterwerfung an[leitet]“. Denn nur durch diese Perspektivierung können die „imaginären Bindungen“ aufgelöst werden, die die rechtspopulistischen Unsicherheitsdiskurse knüpfen, um schließlich „den Weg für andere, demokratische Neukonstitutionen zu eröffnen“ (138).
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Rubrizierung: 2.222.252.3312.372.4 Empfohlene Zitierweise: Marius Hildebrand, Rezension zu: Sebastian Reinfeldt: "Wir für Euch" Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37768-wir-fuer-euch_44727, veröffentlicht am 13.11.2014. Buch-Nr.: 44727 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken