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Marc Thörner

Ein sanfter Putsch. Wie Militärs Politik machen

Hamburg: Edition Nautilus 2014 (Nautilus Flugschrift); 155 S.; 12,90 €; ISBN 978-3-89401-792-7
In den komplexen asymmetrischen Konflikten, derer sich Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen ambitionierter Interventionen angenommen haben, sind „Militärs, die Politik machen“ (Untertitel), ein scheinbar gängiges Phänomen. Dem Journalisten Marc Thörner zufolge, der in seinem Buch Berichte von Reisen und Auszüge aus eigenen Reportagen unter anderem aus Afghanistan, Pakistan, dem Irak und Bahrain zu einem Mosaik verbindet, ergeben sich aus dieser ungewohnten wie ungewünschten Rolle von Streitkräften Konsequenzen, die die eigentlichen politischen Absichten eines solchen Engagements nicht selten ad absurdum führen. Thörner beginnt mit einer Episode aus Afghanistan, genauer gesagt aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundeswehr: dem Norden des Landes. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Rolle von Milizen beim Polizeiaufbau. Die Situation gleicht dabei einem Verwirrspiel, bei dem keine der beteiligten Parteien zu wissen scheint, welche Ziele und Absichten die anderen verfolgen. Thörner gelingt es, durch eigene Beobachtungen und Interviews mit afghanischen Akteuren und hochrangigen diplomatischen Vertretern zur Klärung beizutragen. Als eine unerwünschte Konsequenz zeigt sich, dass sich die als Afghan Local Police (ALP) eingesetzten ehemaligen Milizionäre in den Augen der lokalen Bevölkerung als durch die internationalen Truppen abgesegnete kriminelle Organisationen erweisen. Thörner richtet hier einen doppelten Vorwurf an Politik und Militär. Erstere folge den Männern in Uniform, anstelle ihnen einen Kurs vorzugeben. Dabei würden Politiker bewusst täuschen oder lediglich kleinlaut zugeben, dass die „ihnen unterstellten Militärs etwas anderes tun, als sich vor einer demokratischen Öffentlichkeit rechtfertigen ließe“ (150). Die Militärs seien dabei aufgrund des Rückgriffs auf das Prinzip divide et impera in ihren Kampagnen zur Aufstandsbekämpfung letztendlich für eine ganze Reihe von Entwicklungen verantwortlich, die von der Förderung von Warlords über soziale Ungerechtigkeit, Menschenrechtsverletzungen und Korruption bis hin zur Rekrutierungshilfe radikaler Islamisten reichten. Thörner legt den Finger in die Wunde: Es könne in einer Demokratie nicht die Aufgabe von Militärs sein, Politik zu machen. Dennoch scheint, so der Eindruck, gerade dies ein bewusster Wunsch der Militärs sei, nämlich sich „[ü]berall [anzu]maßen [...], politische Probleme zu lösen“ (149) und Teil eines „sanften Putsches“ (Buchinformation) zu sein. – Ob dies so ist, darf bezweifelt werden.
Christian Patz (CPA)
M.A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften, Fachbereich Politikwissenschaft, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Rubrizierung: 4.414.212.682.632.25 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Marc Thörner: Ein sanfter Putsch. Hamburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37675-ein-sanfter-putsch_45912, veröffentlicht am 16.10.2014. Buch-Nr.: 45912 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken