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Niklas Luhmann

Soziale Systeme. Hrsg. von Detlef Horster

Berlin: Akademie Verlag 2013 (Klassiker Auslegen 45); XI, 180 S.; 24,95 €; ISBN 978-3-05-005170-3
Niklas Luhmanns 1984 publizierte Arbeit „Soziale Systeme“ bildet innerhalb seiner Werkbiografie zweifellos eine Zäsur. Dies gilt nicht nur, weil dieser voluminöse „Grundriß einer allgemeinen Theorie“ – er umfasst gut 670 Seiten – den Paradigmenwechsel zur Theorie selbstreferentieller Systeme markiert, der auch seine früheren Abhandlungen in gewisser Weise revidierte. Vor allem hat Luhmann hier in großer Entschiedenheit den Anspruch erhoben, mit diesem Werk die Grundlagen einer fachuniversalen Theorie gelegt zu haben, die „als soziologische Theorie alles Soziale behandelt und nicht nur Ausschnitte“ („Soziale Systeme“, 9). Im Zentrum dieses Theorieprogramms – das sich deutlich von den damaligen Theoriediskussionen in der Soziologie abgrenzt – steht die Idee der Selbstreferenz, das methodologische Postulat also, die Theorie falle selbst in ihren eigenen Gegenstandsbereich. Das diesen Annahmen entsprechende Design einer polyzentrischen Theorie ist von einem Abstraktionsgrad, der eine lineare Darstellung der verwendeten Begriffe nicht mehr zulässt. Wie führt man in eine Theorieanlage ein, die – wie Luhmann selbst einräumt – eher einem Labyrinth als einer Schnellstraße gleicht? Die Autorinnen und Autoren – mit der Luhmann‘schen Theorie vertraute Sozial‑ und Kulturwissenschaftler – haben ein Vorgehen gewählt, das sich an der Abfolge der zwölf Kapitel der „Sozialen Systeme“ ausrichtet. Das ist eine plausible Entscheidung, die auf Textnähe achtet und zugleich um Vermittlungsleistung bemüht ist. Allerdings stoßen die so vorgenommenen Einzelinterpretationen auf die Herausforderung, die jeweiligen Begriffskomplexe so zu erschließen, dass zum einen theorieimmanente Bezüge zu korrespondierenden Begriffen deutlich werden, zum anderen aber Luhmanns artifizielle Terminologie nicht lediglich neu kombiniert wird, sondern wenigstens illustrierend Kontraste zu anderen Theorieentscheidungen erkennbar werden. Diese Verbindung von Explikation und Kontextualisierung ist am ehesten den Beiträgen von Rasch (Soziale Systeme), Esposito (Doppelte Kontingenz), Müller/Nassehi (Struktur und Zeit), Weinbach (Interaktion und Gesellschaft) und Emmerich/Huber (Konsequenzen für Erkenntnistheorie) gelungen.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.465.42 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37637-soziale-systeme_44848, veröffentlicht am 09.10.2014. Buch-Nr.: 44848 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken