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Byung-Chul Han

Psychopolitik. Neoliberalismus und die neuen Machttechniken

Frankfurt a. M.: S. Fischer 2014; 124 S.; geb., 19,99 €; ISBN 978-3-10-002203-5
Byung‑Chul Han hat das Zeug, zum kritisch‑konservativen Shooting Star der kulturwissenschaftlichen Diskussion zu avancieren. Seine Publikationen sind oft nicht länger als 100 Seiten und zeichnen sich durch eine präzise, sprachlich schöne Ausdrucksweise in einem pointiert‑kurzen Satzbau aus. Der etwas gewöhnungsbedürftige Begriff der „Psychopolitik“ verweist auf die Denktradition, in der sich Han selbst verortet: Neben Foucault nimmt er Bezug auf Deleuze, Heidegger, Hegel, Marx und Naomi Klein. Seine dekonstruktivistischen Überlegungen richten sich dabei – verkürzt gesagt – gegen die Neoliberalisierung einer wachsenden Zahl menschlicher Lebensbereiche. Dabei diagnostiziert er eine „Krise der Freiheit“, die sich durch „Subjektivierung und Unterwerfung“ des Ichs auszeichnet, da sowohl das Arbeits‑ als auch das Privatleben des Menschen durch die Vorstellung von einem sich „immer neu“ entwerfenden „Projekt“ (9) beherrscht werde. Permanenter Leistungs‑ und Optimierungszwang seien die Folge. Han sieht die Gründe dafür im Neoliberalismus, den er „als eine Mutationsform des Kapitalismus“ ausmacht – in der Folge ist heute jeder ein „selbstausbeutender Arbeiter seines eigenen Unternehmens“ (14). Auch die im öffentlichen Diskurs vielfach erhobene Forderung nach umfassender Transparenz interpretiert Han als einen Ausfluss des gegenwärtigen Wirtschaftssystems. Denn die freiwillige Entblößung der Menschen im „digitalen Panoptikum“ (18) des Internets beschleunige nicht nur eine weltumspannende Echtzeit‑Kommunikation, sondern befördere auch eine die menschliche Rationalität beschneidende Emotionalisierung. Dies sei durchaus so gewollt, da „die neoliberale Ökonomie, die zur Steigerung der Produktivität immer mehr Kontinuität abbaut und mehr Unbeständigkeit einbaut“ (65), die Emotionalisierung von Produktions‑ und Kaufprozessen vorantreibe. Es sind solche Überlegungen, die dann doch einen gewissen Widerspruch zu den an sich geschliffenen und plausiblen Gedankengängen Hans provozieren. Denn sie erwecken den Eindruck, als handele es sich bei den konstatierten Phänomenen um einen intentional gesteuerten Prozess einer klar zu verortenden ökonomisch‑politischen Elite. Sicherlich ließe sich auch kritisieren, dass Han mit seiner Kritik an der „digitale[n] Totalvernetzung und Totalkommunikation“ und dem aus ihr resultierenden „Konformitätszwang“ (108) eine sehr kulturpessimistische Sicht einnimmt, ohne noch dazu eine realistische Alternative aufzuzeigen. Allerdings scheint es im gegenwärtigen Stadium der Diskussion wichtig, dass zunächst einmal in verständlicher Weise die Eigenarten und Folgen der digitalen Ökonomie aufgezeigt werden, um eine Gegenposition zu dem meist uneingeschränkt positiven Mainstream zu etablieren. Han liefert hier wichtige Argumente.
{HS}
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Byung-Chul Han: Psychopolitik. Frankfurt a. M.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37634-psychopolitik_46104, veröffentlicht am 02.10.2014. Buch-Nr.: 46104 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken