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Hans Jürgen Krysmanski

Die letzte Reise des Karl Marx

Frankfurt a. M.: Westend Verlag 2014; 109 S.; 10,- €; ISBN 978-3-86489-072-7
Das Buch ist weder Sachbuch, Roman noch Biografie – und doch enthält es von allem etwas. Heiter beschreibt der Soziologe Hans Jürgen Krysmanski die letzten Lebensmonate des kranken Karl Marx, insbesondere seine Kurreisen nach Afrika und Frankreich. Die Reisebeschreibungen geben zunächst einen Einblick in das familiäre Leben nach dem Tod der Ehefrau: die Freundschaft zu Engels, die Konkurrenz der Töchter zueinander, die Spannungen mit den Schwiegersöhnen (man denke an Paul Lafargue) und das Verhältnis zu Helena Demuth, Haushälterin und Mutter des unehelichen Sohnes. Damit nicht genug, Krysmanski fügt die fiktive Figur der Vera Stirner ein, die nicht nur die Lebenslust des alternden Ökonomen zur Sprache bringen soll, sondern durchaus auf ein wesentliches Defizit der Marx‘schen Theorie hinweist: das Problem der Geschlechterverhältnisse und die Frauenfrage. Der Marx im Buch empfiehlt ihr jedenfalls die Lektüre von Bebels Klassiker „Die Frau und der Sozialismus“. Auch die Reise nach Afrika hat erkennbar theoretischen Bezug: So empört sich Marx über den Kolonialismus – was angesichts seiner geschichtsphilosophischen Überzeugung nur begrenzt plausibel ist. Und wenn Marx in Monte Carlo belustigt die Spielbanken besucht, so ist dies nur eine Chiffre, um die immense Vernichtung durch Spekulation zu dokumentieren. Insbesondere auf den „Casino‑Kapitalismus“ kommt der Autor immer wieder zu sprechen. So arrangiert er Sätze aus dem „Kapital“ mit Briefen und Zitaten aus dem Nachlass, komponiert Aussagen von Zeitgenossen und Marxisten mit aktuellen Beiträgen zur seit 2007 andauernden Weltwirtschaftskrise oder erfindet eine geheimnisvolle Mappe – das Histolabium –, in dem der Meister seine Schriften zu Grafiken und Formeln verdichtete. Dass es sich hier mehr um Krysmanski denn um Marx handelt, liegt auf der Hand. All dies liest sich sehr hübsch und legt dem Leser nahe, mal wieder oder erstmals in den Werken dieses Klassikers zu schmökern – auch wenn das Büchlein bei waschechten Marxisten wohl kaum Gegenliebe finden dürfte, zu sehr sind Fiktion und Realität vermischt. Wer aber eine nette Bettlektüre mit etwas Wissenswertem über Marx lesen möchte, ist mit diesem Buch gut beraten.
Frank Schale (FS)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.33 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Hans Jürgen Krysmanski: Die letzte Reise des Karl Marx Frankfurt a. M.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37601-die-letzte-reise-des-karl-marx_46182, veröffentlicht am 25.09.2014. Buch-Nr.: 46182 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken