Die Macht der Moral im 21. Jahrhundert. Annäherungen an eine zeitgemäße Ethik
Mit der These, Moral sei „keine wehrlose Angelegenheit“, sie enthalte vielmehr „großes Machtpotential“ (203), überschreibt der Tübinger Philosoph Otfried Höffe seine Stellungnahmen zu aktuellen politischen und sozialen Fragen. Moralisch zu argumentieren heißt demnach, kritisch zu sein: einerseits auf den Grundlagendiskurs in einer philosophischen Ethik zu bauen, andererseits sich zu Herausforderungen des menschlichen Lebens zu positionieren. Seine Zusammenstellung aus Vorträgen und bereits publizierten Textstücken, die aktualisiert wurden, beginnt mit einem „Loblied der Philosophie“: Philosophie lasse sich (wie alle Geisteswissenschaften) nicht für Schlagworte wie Wirtschaftlichkeit oder globalen Wettbewerb instrumentalisieren, sondern bleibe revolutionär, „verblüffungsresistent“ (16), hermeneutisch fundiert und sprachlich befähigt für den interdisziplinären Austausch. Normativen Fragen der Medizin‑ oder Bioethik, der Praxis wissenschaftlicher Forschung, der sozialen Marktwirtschaft wie des demografischen Wandels gilt es demnach philosophisch zu begegnen. Innerhalb seiner knappen, thesenstark unterfütterten Stellungnahmen betrachtet er Menschen als Moralwesen. In wissenschaftlicher Hinsicht fordert er eine „erfahrungsoffene Moralanthropologie“ (36), die nicht nur die menschlichen Fähigkeiten und Antriebe (zur Kommunikation, zum Fortschritt, zur Weltoffenheit) oder seine Intelligenz vermisst, sondern eben auch seine Prägungen und natürliche Ausstattung reflektiert. Ziel dieses im Tenor zuversichtlichen Bandes ist schlussendlich, die Menschen zum moralischen Handeln zu befähigen. Dann könnten sie Antworten auf Ressourcenausbeutung und Umweltzerstörung, Tierrechte und neue politische Ordnungen in einem ausgeglichenen Maße finden. Dies schließt eine klare Handlungsanweisung an den demokratischen Staat ein, wenn dessen „Risikobewältigungskompetenz“ (121) bei der Energieversorgung wie bei Umweltkatastrophen gefordert ist.