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Ernst Hillebrand / Anna Maria Kellner (Hrsg.)

Für ein anderes Europa. Beiträge zu einer notwendigen Debatte

Bonn: Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger 2014; 191 S.; 14,80 €; ISBN 978-3-8012-0452-5
Die Autorinnen und Autoren widmen sich der Frage, wie sich der europäische Integrationsprozess „zu den grundlegenden Werten und Zielen der politischen Linken, zu Demokratie, Selbstbestimmung, Freiheit und Wohlstand für möglichst viele Menschen“ (8) verhält. Ihrer Meinung nach ist die EU zu wenig sozialdemokratisch geprägt. Derzeit dominiere ein Wirtschafts‑ und Regulierungskonzept, das liberal und angelsächsischen Ursprungs sei, wie Laurent Bouvet, Professor für politische Theorie an der Université de Versailles‑Saint‑Quentin, schreibt. In diesem von der Friedrich‑Ebert‑Stiftung herausgegebenen Band finden sich visionäre, alternative Vorstellungen zur künftigen Gestalt der EU – in den unterschiedlichsten Politikbereichen. Nach Meinung von René Cuperus, Wissenschaftler bei der Wiardi Beckman Stiftung, dem Think‑Tank der niederländischen Arbeiterpartei, sollte die EU vorläufig alle Erweiterungspläne auf Eis legen. Er schlägt ein Moratorium vor, weil „ein Gemeinwesen, für das die Loyalität so schwach und anfällig ist“, nicht ständig erweitert werden könne. Die Demokratie müsse einen höheren Wert als die Geopolitik haben, sonst werde „die Demokratiekrise Europas zu einem geopolitischen Risiko“, warnt er. Es müsse „eine demokratische Verbundenheit mit der europäischen Öffentlichkeit“ (42) hergestellt werden. Michael Naumann, früherer Staatsminister für Kultur, und Laurent Bouvet befürworten beide eine Stärkung des Europäischen Parlaments. Letzterer empfiehlt, dass sich die EU zu einem Zweikammersystem entwickeln sollte, in dem das Europäische Parlament „die vollständige Vertretung der Völker und der Europäische Rat die territoriale Vertretung übernimmt“ (20). Das Parlament sollte das Initiativrecht erhalten, über europäische Steuern abstimmen, und Neumann zufolge auch über eine gesamteuropäische Budgethoheit verfügen. Ferner, so Bouvet, sollte die Kommission als Exekutive fungieren, die von einer parlamentarischen Mehrheit gestützt werde, allerdings müsse die Zahl der Kommissare reduziert werden. Der Historiker Paolo Borioni geht auf den vom Deutschen Gewerkschaftsbund entworfenen Marshall‑Plan für Europa ein, weil dieser Wege aufzeige, wie Wachstumsimpulse sowie Arbeitsplätze entstehen könnten. Zudem füge er sich in eine „etablierte Kultur, die weitgehend mit der Tradition der europäischen Gewerkschaftsbewegung und der Sozialdemokratie von Blairs ‚Drittem Weg‘ übereinstimmt“ (180). Dem Appell Naumanns ist zuzustimmen und nichts mehr hinzuzufügen: „Etwas mehr Begeisterung bitte, denn ein besseres freieres Europa als das gegenwärtige hat es noch nie gegeben. Fertig […] wird es niemals werden, sondern als politischer Prozess wird es uns […] noch auf Jahrzehnte hin beschäftigen. Seine Geschichte ist offen und sollte es auch bleiben“ (122).
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 3.13.5 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Ernst Hillebrand / Anna Maria Kellner (Hrsg.): Für ein anderes Europa. Bonn: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37541-fuer-ein-anderes-europa_45437, veröffentlicht am 18.09.2014. Buch-Nr.: 45437 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken