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Angela Siebold

ZwischenGrenzen. Die Geschichte des Schengen-Raums aus deutschen, französischen und polnischen Perspektiven

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2013 (Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart); 367 S.; 49,90 €; ISBN 978-3-506-77777-5
Diss. Heidelberg; Begutachtung: E. Wolfrum, C. Kraft. – Die Schengener Abkommen – verhandelt ab Mitte der 1980er‑ und in Kraft getreten ab Mitte der 1990er‑Jahre – sorgten schrittweise für die Abschaffung von stationären Personenkontrollen an den Binnengrenzen eines Großteils der EU‑Mitgliedstaaten und mehrerer Länder außerhalb der Union. Die Heidelberger Historikerin Angela Siebold, die für ihre Arbeit 2013 mit dem Wissenschaftspreis des Botschafters der Republik Polen ausgezeichnet wurde, untersucht, „wie der von der Europäischen Kommission als die ,Öffnung der Grenzen‘ bezeichnete Prozess [der Etablierung und Ausweitung der Abkommen] in den Schengener Vertragsstaaten selbst wahrgenommen und diskutiert wurde und welche Auswirkungen dabei besonders mit der Zäsur ,1989‘ assoziiert wurden“ (11). Zu diesem Zweck werden Beiträge in je zwei führenden Printmedien der Staaten des sogenannten Weimarer Dreiecks – Deutschland, Frankreich und Polen – ausgewertet. Die Darstellung gliedert sich in drei Teile, „die sich erstens mit der Gründung des Abkommens und der Aufnahme neuer Mitglieder, zweitens mit der Bedeutung des Wegfalls von Kontrollen und der Schaffung der sogenannten Ausgleichsmaßnahmen und drittens mit den diskutierten Grenzüberschreitungen beschäftigen“ (34). Dabei wird deutlich, dass der Schengen‑Prozess zunächst einer Wiederbelebung des europäischen Integrationsprozesses dienen sollte, ausgehend von einer deutsch‑französischen Initiative. Nach dem Umbruch von 1989 stand er demgegenüber für Abgrenzungstendenzen der alten westlichen gegenüber den potenziellen neuen östlichen Mitgliedstaaten der EU. Gerade in Polen wurde die Lage an der Schengen‑Außengrenze an der Oder‑Neiße‑Linie negativ gedeutet, die 2007er‑Vollanwendung des Schengen‑Besitzstandes drei Jahre nach dem EU‑Beitritt dann als „vollendete Überwindung des zweigeteilten Kontinents interpretiert“ (96). Deutschen und französischen Verlustängsten stand die „erfolgreiche Durchsetzung eigener Interessen im Bereich der Visapolitik“ (224) polnischerseits gegenüber. Denn während in den beiden alten Mitgliedstaaten die Reisefreiheit als „große Errungenschaft des europäischen Einigungsprozesses“ (322) hervorgehoben wurde, herrschten in Polen Befürchtungen hinsichtlich einer Einschränkung der bisher erreichten Freizügigkeiten mit den eigenen östlichen Nachbarn. Während der Begriff Grenze also klare Zugehörigkeiten suggeriert, waren die „konkreten Aushandlungsprozesse und Diskussionen um das Schengener Abkommen […] jedoch gerade nicht von einer solchen Eindeutigkeit geprägt“ (344), schreibt Siebold.
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 3.13.5 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Angela Siebold: ZwischenGrenzen. Paderborn u. a.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37539-zwischengrenzen_44951, veröffentlicht am 18.09.2014. Buch-Nr.: 44951 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken