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Hartmut Rosa / Stephan Lessenich / Margrit Kennedy / Theo Waigel

Weil Kapitalismus sich ändern muss

Wiesbaden: Springer VS 2014; 137 S.; 9,99 €; ISBN 978-3-658-01383-7
„Die Änderung des Kapitalismus ist nicht mehr Fortschrittssignal, sondern Selbstverteidigung“ (10), da wir es mit einer „kumulativen Krise“ (12) zu tun haben, diagnostiziert Elmar Altvater im Vorwort den Zustand des kapitalistischen Wirtschaftssystems im 21. Jahrhundert. In einem kurzen historischen Rückblick zeigt er die Wichtigkeit von Reform und Transformation des Kapitalismus für dessen Fortbestand, stellt jedoch mit Blick auf die möglichen, (bald) erreichten ökonomischen und ökologischen Grenzen des Systems die Frage, ob die bisherigen Änderungsversuche einer „mutazione“ (7) – Anpassung – ausreichen oder ob nicht Elemente einer „transizione“ (7) in Form eines Überganges nötig sind. Altvater kritisiert die vorherrschenden „technokratischen“ (13) und reformpolitischen Lösungsversuche – anstatt einerseits die Abkehr vom Wachstumsparadigma einzuleiten und andererseits soziale und kulturelle Überlegungen mit einzubeziehen. In diese Richtung weist das Gespräch der Jenaer Professoren der kritischen Soziologie Harmut Rosa und Stephan Lessenich. Ausgehend von theoretisch‑soziologischen Überlegungen zu den Bedingungsfaktoren des Kapitalismus auf individueller Handlungsebene und kollektiver Strukturebene diskutieren sie die zentralen Entwicklungstendenzen wie die zunehmende Ökonomisierung – also die „Kolonialisierung aller Lebensbereiche“ (43) –, das Verhältnis zwischen Demokratie und Wachstumsparadigma, das laut Rosa einen natürlichen Antagonismus bildet, das Aufkommen der Green Economy und die oftmals geforderte „Neuerfindung des Sozialen“ (58). Zu den Vorschlägen von Rosa und Lessenich gehören das bedingungslose Grundeinkommen, ein Schuldenschnitt und eine veränderte Zins‑ und Wettbewerbspolitik. Konkretisiert werden diese Überlegungen im Gespräch mit Margrit Kennedy, die der Frage eines nachhaltigen Geldsystems nachgeht. Die Währungsexpertin kommt zu dem Schluss, dass ein „Geldsystem, das auf Zins und Zinseszins beruht, der Natur und jedweder Nachhaltigkeit widerspricht“ (71). Stattdessen präferiert Kennedy die Schaffung einer „Monetative“ (90) – einer vierten Gewalt im Staat mit der Funktion, das Geldsystem stabil zu halten –, ein zinsfreies Kredit‑ und Bankensystem und die Einführung eines Gutschein‑ und Vollgeldsystems. Theo Waigel nutzt die Kritik am gegenwärtigen Kapitalismus, um die Wiederbelebung der sozialen Marktwirtschaft zu fordern. Er vergisst jedoch dabei, dass das ehemalige Erfolgskonzept auf vielen zeithistorischen Bedingungen beruhte, die – wie die Debatte über die Neuerfindung des Sozialen zeigt – mit denen der Gegenwart nicht vergleichbar sind.
Christian Heuser (CHE)
Student der Politikwissenschaft und Soziologie, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Universität Bonn.
Rubrizierung: 2.25.42 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Hartmut Rosa / Stephan Lessenich / Margrit Kennedy / Theo Waigel: Weil Kapitalismus sich ändern muss Wiesbaden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37530-weil-kapitalismus-sich-aendern-muss_46064, veröffentlicht am 11.09.2014. Buch-Nr.: 46064 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken