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Jan Sailer

Das "gute Leben" im Kapitalismus. Aristotelische Gerechtigkeit und der Marxsche Bewertungsmaßstab

Tübingen: Narr Francke Attempto 2014 (Basler Studien zur Philosophie 18); 332 S.; 64,- €; ISBN 978-3-7720-8483-6
Diss. Freiburg; Begutachtung: W. Metz. – Ausgehend von der Weltfinanzkrise im Jahr 2008 thematisiert Jan Sailer eingangs das verselbstständigte Eigenleben des Finanzsektors, dessen Zweck darin besteht, unabhängig von realwirtschaftlicher Güterproduktion aus einer Summe Geld eine immer größere Summe Geld zu machen. Das in seinen weltlichen Folgen abrupt in Erscheinung getretene Phänomen der Krise macht Sailer damit zum Ausgangspunkt seiner insgesamt klar strukturierten und wohltuend lesbaren Untersuchung und konstatiert, dass sich Aristoteles und Marx „in der negativen Beurteilung der Geldvermehrung als Selbstzweck“ (14) einig sind. Um die in dieser Hinsicht gemeinsamen Argumentationsgänge beider Denker abzuschreiten, analysiert Sailer daher zunächst Aristoteles’ Gerechtigkeitskonzeption, die entschieden die Polarität von Egoismus und Altruismus transzendiert, indem das beste Gut des Einzelnen „als feste Grundhaltung zu gerechten Taten“ (138) stets auf das gesellschaftlich‑politische Wohl der Allgemeinheit bezogen bleibt. Im zweiten Schritt wird Marx’ Bewertungsmaßstab freigelegt, indem Sailer insbesondere unter Bezugnahme auf die „Ökonomisch‑philosophischen Manuskripte“ sowie auf „Die deutsche Ideologie“ dessen auf Feuerbach wie auch auf Hegel verweisende Theoreme rekonstruiert. Im dritten und abschließenden Teil führt Sailer die aristotelischen und Marx’schen Gedankenstränge zur wissenschaftlichen Pointe seiner Schrift zusammen: „Im Vergleich mit dem kapitalistischen Umschlag von Individuum und Gesellschaft in voneinander getrennte und sich gegenüber stehende Extreme, so dass die Gemeinsamkeit im wechselseitigen Ausschluss im ‚Gemeinwesen Geld’ und der Einzelne nur als Charaktermaske seiner ökonomischen Funktion antagonistisch gegen den anderen auftritt, hält Marx in der griechischen Antike die Einheit der unterschiedlichen Individuen für immerhin beschränkt verwirklicht.“ (278) Doch während sich bei Aristoteles das gesellschaftlich‑politisch Gemeinsame aus dem tugendorientierten Handeln der Einzelnen speist, erwächst bei Marx die substanzielle Gemeinsamkeit der Individuen aus der Abschaffung der kapitalistischen Verhältnisse. „Das ‚gute Leben’ in diesem Sinne wäre im Kapitalismus allein im Kampf gegen diesen möglich.“ (332)
Karl-Heinz Breier (KHB)
Prof. Dr., Institut für Sozialwissenschaften und Philosophie, Universität Vechta.
Rubrizierung: 5.35.315.335.42 Empfohlene Zitierweise: Karl-Heinz Breier, Rezension zu: Jan Sailer: Das "gute Leben" im Kapitalismus. Tübingen: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37509-das-gute-leben-im-kapitalismus_43564, veröffentlicht am 11.09.2014. Buch-Nr.: 43564 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken