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Carlos Antonio Aguirre Rojas

gehorchend befehlen. Die politischen Lektionen des mexikanischen Neozapatismus. Aus dem Spanischen von Susanne Reh

Münster: edition assemblage 2013; 170 S.; brosch., 14,80 €; ISBN 978-3-942885-28-7
Der Zapatismus ist eine politische Ideologie, die Elemente des libertären Sozialismus, des Anarchismus und des Marxismus mit traditioneller Maya‑Kultur verbindet. Seine Institutionalisierung erfährt er unter anderem durch die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (spanisch EZLN), die laut ihrem Selbstverständnis eine im Wesentlichen gegen neoliberale Politik gerichtete Bewegung ist. Sie versteht sich als radikale Opposition gegen das gegenwärtige politisch‑ökonomische System, eine Haltung, die auch den Duktus dieses Bandes charakterisiert. Anlässlich eines ersten Treffens der „Zapatistischen Gemeinden mit der Weltbevölkerung“ zum Jahreswechsel 2006/2007 im Hochland von Chiapas haben die Beteiligten dementsprechend programmatisch festgehalten, dass es nichts weniger zu erkämpfen gelte als die „Errichtung einer neuen Welt, einer sehr anderen als der kapitalistischen, die heute immer noch möglich ist“ (9). Die zentrale Idee politischer Innovation ruht dabei auf einer möglichst subsidiär verorteten, basisdemokratischen Selbstregierung der Menschen. Sie ist – so wird man konstatieren müssen – tatsächlich wenig neu und in der durch die Anhänger des Neozapatismus avisierten Umsetzung höchst problematisch, zumindest aber naiv. Zu unterstellen, dass bei Abschaffung der Entlohnung für die „Ausführung der Funktionen der zapatistischen guten Regierung“ (28) auch alle Anreize für Korruption automatisch entfallen würden, verlangt neben der Akzeptanz eines an Orwell erinnernden Neusprechs zudem noch einiges an Vertrauen in die Philanthropie der künftigen Amtsinhaber. Wesentlich relevanter, weil grundlegender, ist indes die Frage, wie denn der Neozapatismus mit seinen Gegnern umzugehen gedenkt. Carlos Antonio Aguirre Rojas äußert sich hierzu nicht explizit – jedoch lässt die immer wieder anklingende, völlige Korrumpiert‑ und Falschheit existierender repräsentativ‑demokratischer Regierungsformen im Kontrast zum einzig guten Konzept des „Gehorchend Befehlens“ (32) mit einigem Recht vermuten, dass der politische Kampf nicht bedingungslos gewaltfrei zu führen sein wird. „Totaler Wahn und totale Verwirrung“ (155) – was der Neozapatismus in Teilen sicher nicht nur zu Unrecht der gegenwärtigen Politik attestiert, wird er sich, wenn er aufrichtig kritisch reflektiert, auch selbst attestieren müssen. Im Übrigen bleibt Aguirre Rojas Darstellung zeitgenössischer neozapatistischer Politik ein in jeglicher Hinsicht bemerkenswertes Zeugnis der gegenwärtigen Verzweiflung über die politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnisse in Mittel‑ und Südamerika.
{LEM}
Rubrizierung: 2.65 | 2.22 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Carlos Antonio Aguirre Rojas: gehorchend befehlen. Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37505-gehorchend-befehlen_42875, veröffentlicht am 11.09.2014. Buch-Nr.: 42875 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken