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Eckhard Jesse / Roland Sturm (Hrsg.)

Bilanz der Bundestagswahl 2013. Voraussetzungen, Ergebnisse, Folgen

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Parteien und Wahlen 7); 718 S.; 129,- €; ISBN 978-3-8487-1118-5
Die Herausgeber haben bereits nach der Bundestagswahl 2009 (siehe Buch‑Nr. 42708) und nach dem Jahr der zahlreichen Zwischenwahlen 2011 (siehe Buch‑Nr. 42509) vergleichbare Sammelbände vorgelegt, in denen sie etliche Gesichtspunkte der Wahl auswerten. Was an Daten und Befunden zum Wahlausgang im Jahr 2013, zu den Politikfeldern oder zum Zustand der Parteien herausgearbeitet wird, mag recht überraschungsfrei sein. Allerdings liefert dieser umfangreiche Band derart fundiertes Material, dass man schwerlich auf die Wahl zurückblicken kann, ohne sich mit den jeweiligen Aufsätzen auseinanderzusetzen. Zudem weist der Band auf gravierende Veränderungen hin, die dringend einer weiteren Deutung zu unterziehen sind. Eckhard Jesse arbeitet ein „zunehmend volatiles Protestwählerreservoir“ (31) heraus. Ohne diesen Befund ausdrücklich zum Leitmotiv zu erheben, durchzieht er eine Vielzahl der Beiträge. Dabei fällt auf, dass die Krisendiagnosen zum Zustand der Parteien gar nicht das zentrale Forschungsfeld der Zukunft sein dürften. Die qualitativen Folgen des Mitgliederverlustes der Parteien sind bekannt. Die Prognose von Nicolai Dose und Anne‑Kathrin Fischer, wonach sich die Zahl der Parteibuchinhaber bei den beiden Volksparteien bis zum Jahr 2040 nochmals halbieren wird, ist ebenso düster. Die Wählerschaft wird dadurch immer weniger an das repräsentative System der Bundesrepublik Deutschland angebunden. Dieses drückt sich bereits jetzt darin aus, dass die „Auf‑ und Abstiegszyklen der Parteien […] immer kürzer und unberechenbarer“ (311) werden, wie Viola Neu darlegt. Gleichzeitig wird wiederholt festgehalten, dass die „Ergebnisse der Bundestagswahl […] wenig Belastbares“ (572, Manfred G. Schmidt) hergeben würden. Mithin wird zwischen den Zeilen der verschiedenen Beiträge deutlich, dass sich die Politikwissenschaft in Deutschland auf neue Fragen einstellen muss. Es genügt nicht mehr, die Merkmale des deutschen Regierungssystems aus der Historie heraus zu erklären, sondern die Politikwissenschaft wird zunehmend gefordert sein, Antworten darauf zu geben, wie sich das politische System entwickeln könnte. Besonders Werner J. Patzelt verdeutlicht dies in seinem abschließenden, leicht lakonisch formulierten Beitrag. Darin macht er eine Orientierungskrise des politischen Systems selbst fest. Die wachsende Volatilität und Protestbereitschaft der Wähler könnte einen „höchst systemkritischen Akzent“ besitzen. Man sei mitnichten in einem Zeitalter der Postdemokratie angelangt, auch sei die deutsche Spielart der Konkordanzdemokratie keineswegs an ihrem Ende, doch es bleibe abzuwarten, „bis sich unsere politische Klasse zu einer tiefergehenden Debatte um den Fortgang des europäischen Integrationsprozesses und um dessen Bedeutung für die Macht des Bundestags durchringt“ (683).
Stephan Klecha (SKL)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen.
Rubrizierung: 2.3322.331 Empfohlene Zitierweise: Stephan Klecha, Rezension zu: Eckhard Jesse / Roland Sturm (Hrsg.): Bilanz der Bundestagswahl 2013. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37442-bilanz-der-bundestagswahl-2013_45819, veröffentlicht am 21.08.2014. Buch-Nr.: 45819 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken