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Michael Stolleis

Nahes Unrecht, fernes Recht. Zur Juristischen Zeitgeschichte im 20. Jahrhundert

Göttingen: Wallstein Verlag 2014 (Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts. Vorträge und Kolloquien 16); 173 S.; brosch., 15,- €; ISBN 978-3-8353-1401-6
Michael Stolleis kann wohl ohne Abstriche als der bedeutendste Rechtshistoriker des deutschsprachigen Raums bezeichnet werden, der insbesondere durch sein mehrbändiges Werk zur Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland einem Publikum auch über die Fachgrenzen hinaus bekannt geworden ist. Dieser Band versammelt bereits anderweitig erschienene Aufsätze aus einem reichen Gelehrtenleben, die insbesondere die wechselvolle (Rechts‑)geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert zum Thema haben. Darunter befindet sich eine Analyse zur Entwicklung des Rechtsstaatsgedankens, der vor allem unter der nationalsozialistischen, aber auch unter der sozialistischen Diktatur stark gelitten hat, jedenfalls, wenn man ein materiales Rechtsstaatsverständnis zugrunde legt. Zugleich warnt Stolleis vor den Beschränkungen des Rechtsstaates im Zeichen zeitgenössischer Sicherheitsdiskurse. Diese Aktualisierungen wirken, eben weil sie historisch in den langwierigen Kampf für den Rechtsstaat eingebettet sind, umso überzeugender. Daneben finden sich Untersuchungen zum richterlichen Prüfungsrecht in der Weimarer Republik, zur Rechtsgeschichte unter den alliierten Besatzungsmächten nach 1945 und zur Geschichte des öffentlichen Rechts in der DDR. Ferner umfasst der Band zwei Aufsätze zu einem Lebensthema, das Stolleis bereits mit seiner Habilitation aufgegriffen hat: das nationalsozialistische (Un‑)Recht. Abgerundet wird der Band durch ein längeres Interview mit Michael Stolleis. Darin erläutert er zum einen seinen wissenschaftlichen Werdegang, der zu Beginn noch unter einem schlechten Stern stand, weil er das Studium der Jurisprudenz als recht farblos ansah, und zeichnet zum anderen die Entwicklungen der juristischen Zeitgeschichte nach. Diese befinde sich im Zuge der Ökonomisierung der Universitäten unter massivem Rechtfertigungsdruck, den Stolleis bereits in den 1990er‑Jahren beklagte. Die Folge der Marginalisierung der Rechtsgeschichte sei der historisch uninformierte Jurist, der das jeweils geltende Recht unkritisch dem Gesetzesblatt entnehme.
Patrick Stellbrink (PS)
M. A., Politikwissenschaftler, Promovend an der TU Chemnitz.
Rubrizierung: 2.312.3112.3122.3142.3 Empfohlene Zitierweise: Patrick Stellbrink, Rezension zu: Michael Stolleis: Nahes Unrecht, fernes Recht. Göttingen: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37441-nahes-unrecht-fernes-recht_45805, veröffentlicht am 21.08.2014. Buch-Nr.: 45805 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken