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Ines Härtel (Hrsg.)

Handbuch Föderalismus – Föderalismus als demokratische Rechtsordnung und Rechtskultur in Deutschland, Europa und der Welt. Band IV: Föderalismus in Europa und der Welt

Heidelberg u. a.: Springer 2012; XLI, 1.074 S.; 139,95 €; ISBN 978-3-642-16882-6
Der vierte und letzte Band des Handbuchs Föderalismus wendet sich im ersten Teil dem „supranationalen Föderalismus“ (VI) der EU zu. Fragen wie nach der Kompetenzordnung, dem Unionsvolk, der Legitimität, dem Finanzsystem, dem Grundrechtsschutz und dem Verwaltungsverbund in der EU werden dabei vor allem aus europarechtlicher Perspektive beleuchtet. Deshalb erschöpft sich die Mehrzahl der Aufsätze in Zustandsbeschreibungen und Auslegungen des vertragsrechtlichen Status quo. Diese Herangehensweise kommt erstaunlicherweise ohne eine nennenswerte Würdigung der aktuellen Krisenentwicklungen aus. So verwundert es eigentlich nicht, dass der Mainstream der Europaforschung nach wie vor einem normativen Bias unterliegt, der die Krise der Eurozone als ein isolierbares Phänomen ohne Auswirkungen auf das Institutionen‑ und Kompetenzgefüge der Union deutet. Wenn Krisen nicht ganz außer Acht gelassen werden, werden sie allenfalls als Katalysatoren des darauffolgenden Integrationsfortschritts gedeutet. Ansonsten findet die Krise allenfalls im Beitrag von Nicolas Heinen zur Frage der „Schuldenbremsen im Euroland“ (501) Erwähnung. Seine Themenwahl hat auch hier dazu geführt, dass eine kritische Diskussion dieses neuen haushaltspolitischen Instrumentariums unterbleibt – es liegt auf der Hand, dass ein Analyst von Deutsche Bank Research schon aufgrund seines Framings der Krise als Staatsschuldenkrise die deutsche Schuldenbremse als „ein intelligentes und Erfolg versprechendes Konzept zur langfristigen Senkung der Staatsverschuldung“ (502) lobt und am Ende die Einwände der Kritiker allesamt entkräftet. Umso anregender sind der Beitrag von Eberhard Eichendorfer zum europäischen Sozialrecht sowie Aleida Assmanns Überlegungen zu einer dialogförmigen europäischen Gedächtniskultur. Einen wirklichen Mehrwert liefern die Länderbeiträge zu unterschiedlichen Föderalstaaten, zumal sie ebenfalls von Juristen stammen. Damit gelingt es Härtel aufzuzeigen, dass eine komparative Vorgehensweise durchaus eine Bereicherung für die deutsche Reformdiskussion sein könnte – ein Umstand, der von Verfassungsrechtlern gerne in Zweifel gezogen wird. Mit den Aufsätzen des letzten Abschnitts schlägt Härtel wieder den Bogen zum ersten Band, indem sie Autoren zu Wort kommen lässt, die sich aus philosophischer Perspektive Gedanken über die föderale Dimension der im Entstehen begriffenen Weltgesellschaft machen und damit in verblüffender Weise an die ideengeschichtlichen Ursprünge der Föderalismustheorie anknüpfen (zu den ersten drei Bänden siehe Buch‑Nr. 45120, 45121 und 45122).
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 1.13.13.22.212.612.42.52.644.1 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Ines Härtel (Hrsg.): Handbuch Föderalismus – Föderalismus als demokratische Rechtsordnung und Rechtskultur in Deutschland, Europa und der Welt. Heidelberg u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37372-handbuch-foederalismus--foederalismus-als-demokratische-rechtsordnung-und-rechtskultur-in-deutschland-europa-und-der-welt_45123, veröffentlicht am 07.08.2014. Buch-Nr.: 45123 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken