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Oliver Smiljić

Die missverstandene Religionsfreiheit. Rituelle Beschneidung, die Scharia und unsere Menschenrechte

Marburg: Tectum Verlag 2014; 114 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-8288-3326-5
Wie verhalten sich die Menschenrechte zum Recht auf Religionsfreiheit? Oliver Smiljic wagt sich in seiner Studie an eine überaus brisante Frage – die nicht etwa brisant ist, weil sie substanziell strittig wäre, sondern weil sie exemplarisch aufzeigt, wie schwer es in einer globalisierten Welt ist, sich auf allgemein verbindliche Grenzen dessen zu einigen, was getan werden darf und was nicht. Beschneidungsriten und Strafen der Scharia kollidieren manifest mit dem Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit. Dennoch reklamieren religiöse und politische Gruppen, zumeist unter Verweis auf lange zurückreichende Traditionen und kulturell‑religiöse Gepflogenheiten, ihr Recht auf die Missachtung dieses Rechts auf körperliche Unversehrtheit – was sie selbst, und da beginnen die Probleme, so entweder nie verstehen oder aber vollkommen anders kontextualisieren würden. An dieser Stelle wird die Darstellung problematisch. Denn Smiljic ist sich in seinem Schlussplädoyer sicher, dass man der heraufziehenden Bedrohung durch die Scharia in Westeuropa (was selbst als weit ausgreifende Zukunftsprojektion hinreichend fragwürdig ist) nur begegnen könne, wenn man das islamische Strafsystem unterbinde. Dieses hält er mit den Menschrechten nach heutiger Definition für unvereinbar. Bei der Beschneidung nach jüdischem Recht hingegen ist der Autor zu Zugeständnissen bereit, wenn etwa die Altersgrenze für den Eingriff verschoben würde, sodass das Kind ein Mitspracherecht hätte. So ließe sich das Problem zwar lösen, denn wenn sich ein Erwachsener zur Beschneidung entschließt – ebenso, wie er sich tätowieren oder piercen lassen kann – ist es tatsächlich seine private Entscheidung. Der Beantwortung der grundsätzlichen Frage, welche Rolle dem Staat als Rechtsgaranten zukommt, der in einer heterogenen Gesellschaft für eine Integration durch Recht, und zwar durch ein für alle gleichsam geltendes Recht, zu sorgen hat, kommt Smiljic so nicht näher.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.422.23 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Oliver Smiljić: Die missverstandene Religionsfreiheit. Marburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37358-die-missverstandene-religionsfreiheit_45731, veröffentlicht am 31.07.2014. Buch-Nr.: 45731 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken