Skip to main content
Rüdiger Kendziora

Wertesphären und soziale Wirklichkeit. Philosophisch-historische Überlegungen zu einem europäisch einheitlichen Wirtschaftsraum

Essen: Die Blaue Eule 2013 (Kleine Arbeiten zur Philosophie 64); 73 S.; 14,- €; ISBN 978-3-89924-364-2
Bücher, die aufgrund ihres Sprachstils faktisch nicht verständlich sind, verdienen eigentlich keine Rezension. Wenn sie dann noch vor Rechtschreib‑, Satzbau‑ und Flüchtigkeitsfehlern strotzen, gilt dies umso mehr. Da hilft auch nicht der Hinweis des Herausgebers, dass es sich die Schriftenreihe zur Aufgabe gemacht habe, auch Arbeiten aufzunehmen, die zwar „in sich ab‑geschlossen“ seien, ohne jedoch „auch gleich ab‑gerundet zu sein“ (5). Es ist anzuerkennen, dass den Autoren ihre individuelle Freiheit gelassen werden soll. Gleichzeitig bleibt jedoch zu fragen, ob sich hier nicht ein Autor eine intellektuelle Herkulesaufgabe aufgeladen hat, die im Rahmen von 73 Seiten einfach nicht zu bearbeiten ist. Kendziora selbst versteht seinen Text als eine „philosophisch‑historische Besinnung in die ‚Begleitumstände‘ der Entstehung eines freiheitlichen Wirtschaftsliberalismus“, der „in Verbindung mit den Ergebnissen der philosophischen Anthropologie Hellmuth Plesserns (sic!) und der ‚materialen Wertethik‘ eines Max Schelers die Sinnhorizonte eröffnen [kann], die in der sozialen Wirklichkeit ihre Kontingenz, Zerfall oder Erneuerung in des ‚Kaisers neuen Kleider‘ aufzeigen“ (11). Es geht Kendziora also offensichtlich um einen Rückgriff auf anthropologische Erkenntnisse, um Wechselwirkungen zwischen den systemischen Veränderungen der Märkte einerseits und den leitenden Integrationsvorstellungen in Europa andererseits zu erklären. Ausgangspunkt dieses Denkansatzes bildet dabei der Mensch, der durch die „kulturellen Eigenarten der in Nationen existierenden Lebensgemeinschaften“ geprägt wird. Aus diesem theoretisch hergeleiteten Verständnis heraus stellt Kendziora die durchaus berechtigte Frage, ob die „übertrieben reglementierte zwischenstaatliche Kontrolle von Haushaltsfinanzierungen nicht partiell zumindest“ einen fragwürdigen Eingriff „sowohl in die europäische wie die nationalen Wertverwirklichungen der prinzipiell unabhängigen auch national gewachsenen Kulturwerte darstellen“ (52). Auch wenn gerade im Abschnitt „Kurzes Resümee Teil I“ durchaus klarsichtige Gedanken formuliert werden, so sind es vor allem immer wieder die metaphysisch anmutenden Formulierungen, die den sphärischen Charakter der untersuchten „Wertsphären“ erzeugen, wenn Kendziora zum Beispiel von ökonomischen „Wertschöpfungskonstellationen“ in „grenzenlos sich bewegenden Märkten in mehrdimensionalen Kontexten“ spricht. Sei diese „Büchse der Pandora einmal geöffnet“, gebe „es kein Entrinnen […] für niemanden mehr“ (55). Der Rückgriff auf philosophische Überlegungen, die bisher keine Berücksichtigung im Diskurs zur Finanzkrise gefunden haben, ist ehrenwert. Allerdings rechtfertigt sich ein solcher Rekurs erst dann, wenn er auch sprachlich nachvollzogen werden kann.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 5.15.335.453.12.2 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Rüdiger Kendziora: Wertesphären und soziale Wirklichkeit. Essen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37355-wertesphaeren-und-soziale-wirklichkeit_45603, veröffentlicht am 31.07.2014. Buch-Nr.: 45603 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken