Macht und Leistung als Werte in Europa. Über gesellschaftliche und individuelle Einflüsse auf Wertprioritäten
Soziolog. Diss. Bielefeld; Begutachtung: A. Hadjar, J. Reinecke. – Den Ausgangspunkt der Arbeit bildet die Feststellung, dass sich „Menschen und Gesellschaften [...] in der Wichtigkeit von Macht‑ und Leistungswerten unterscheiden“ (1) können. Besonderes Augenmerk gilt der Frage, welche Faktoren wie und warum Menschen bei ihrer individuellen Werte‑Priorisierung leiten. Da es an einem „präzisen Konzept für Werte und einer klaren Unterscheidung zwischen individueller und gesellschaftlicher Ebene“ (5) mangele, will Dennis Köthemann hier eine Forschungslücke schließen. Um diesem mehrdimensionalen Werteverständnis sowohl im interpersonalen als auch im gesellschaftlichen Vergleich Rechnung tragen zu können, greift er in methodischer Hinsicht auf eine „Mehrebenen‑Konfirmatorische‑Faktorenanalyse“ zurück. Anzuerkennen ist, dass sich Köthemann von Anbeginn bewusst ist, dass sein breites Werteverständnis sowie die unterstellten Mechanismen der wertbezogenen Präferenzbildung „unpräzise und damit unzuverlässig bleiben“ (6) könnten. Vorbildlich sind deshalb seine im zweiten Kapitel vorgenommenen Begriffsklärungen aus einer Mehrebenen‑Perspektive, die ihre ganz eigene Strenge und Stringenz aufweisen. Unter Rückgriff auf einschlägige Definitionen und Typologien entwickelt er dann in zwei separaten Argumentationssträngen eigene Arbeitsdefinitionen individueller und gesellschaftlicher Werte. Es folgt eine ebenso überzeugende Operationalisierung dieser Kategorien sowie eine Darstellung zur Methode der Datenanalyse. Unter Rückgriff auf Daten des European Social Surveys aus den Jahren 2006 und 2008 testet er anschließend seine Hypothesen. Dabei kommt Köthemann zu dem Ergebnis, dass „je sozio‑ökonomisch entwickelter eine Gesellschaft ist, umso niedriger [...] die Priorität von gesellschaftlichen Macht‑ und Leistungswerten“ (176) ist. Dabei zeigt sich jedoch, dass Menschen, die eine höhere „Position in der sozialen Stratifikation“ – also zum Beispiel Angehörige der Dienstklassen und des Kleinbürgertums – „eine signifikant höhere Priorität in Macht‑ und Leistungswerten“ (176) als Facharbeiter und Landwirte aufweisen. Dies erklärt Köthemann mit den hohen Kosten, die für sozial Schwächere mit der Erreichung dieser „primären Zwischengüter“ (177) verbunden sind. Auf individueller Ebene zeigt sich, dass „Männer eine signifikant höhere Priorität bei Macht‑ und Leistungswerten haben als Frauen“ (178). Dies gilt in ähnlicher Weise auch für jüngere Menschen. Jenseits der insgesamt sehr überzeugenden Analyse wäre es wünschenswert gewesen, wenn mit Blick auf die zukünftige Nutzung dieser Ergebnisse – etwa im Rahmen von Sozialstrukturanalysen – Unterschiede zwischen den einzelnen europäischen Staaten noch stärker im Detail herausgearbeitet worden wären.