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Niklas Im Winkel

Erhöht die Möglichkeit einer differenzierten Stimmabgabe den individuellen Wahlnutzen? Eine Analyse von Wahlentscheidungen auf Basis von Umfragedaten

Online-Publikation 2013 (http://edoc.sub.uni-hamburg.de/hsu/volltexte/2013/3024/pdf/2013_imwinkel.pdf); XI, 200, XLI S.
Volkswirt. Diss. HSU Hamburg, J. Kruse, M. Berlemann. – Schon der erste Satz der Dissertation ist ein Paukenschlag: „Die politische Ökonomie betrachtet die Demokratie in erster Linie als Methode, um gesellschaftliche Entscheidungen zu treffen, was im Vergleich zu vielen weiter gefassten und stärker ideologisch aufgeladenen politologischen und soziologischen Sichtweisen ein pragmatischer Ansatz ist.“ (1) Nicht nur der pauschale Ideologievorwurf gegenüber ganzen Fachdisziplinen verwundert, sondern auch die heuristische – wie soll man sagen – Blindheit, die dazu verleitet, für die eigene Analyseperspektive keinen ‚blinden Fleck’, wie Niklas Luhmann das einmal genannt hat, anzunehmen. Und dass der homo oeconomicus rein pragmatisch – was hier übersetzt wohl ‚unideologisch’ bedeuten soll – entscheidet, wird ja wohl niemand ernsthaft behaupten wollen. Worum aber geht es dem Autor konkret? Ohne, dass die Postdemokratiedebatte überhaupt nur Erwähnung findet, geht er von der These aus, dass eine weitgehende Unzufriedenheit mit der politischen Repräsentation in der Bundesrepublik Deutschland herrsche. Es gelte daher, alternative Formen der politischen Teilhabe zu eruieren, genau genommen eine: „Das Kernthema dieser Arbeit ist daher eine Untersuchung der Möglichkeit, den partizipatorischen Bedürfnissen der Bürger durch eine institutionelle Anpassung der wichtigsten politischen Beteiligungsform – der Wahl – besser gerecht zu werden.“ (2) Ob und inwieweit andere Partizipationsformen und ‑formate in Frage kommen, wird nicht weiter diskutiert – Bürgerhaushalte oder deliberative Foren unterschiedlicher Zusammensetzung bleiben ausgeblendet. Im Theorieteil findet sich stattdessen eine Ansammlung von Allgemeinplätzen zur Demokratietheorie, die in weiten Teilen den Forschungsstand um die Jahrtausendwende reflektiert und irgendwann jegliche Differenzierung aufgibt. Aristoteles, Montesquieu und Marx/Engels pauschal als Demokratietheoretiker und noch dazu als solche mit einem nennenswerten Impact für das Modell der repräsentativen Demokratie westlichen Typs auszugeben, würde sicher nicht einmal dem schlimmsten soziologischen oder politologischen Ideologen einfallen – so wie Habermas etwa, den Niklas Im Winkel in einer prominenten Fußnote dezidiert als solchen hervorhebt. Und was bleibt berichtenswert von den Ergebnissen der Analyse? Um es mit Foucault zu sagen: weißes Rauschen.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.332 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Niklas Im Winkel: Erhöht die Möglichkeit einer differenzierten Stimmabgabe den individuellen Wahlnutzen? 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37314-erhoeht-die-moeglichkeit-einer-differenzierten-stimmabgabe-den-individuellen-wahlnutzen_45958, veröffentlicht am 17.07.2014. Buch-Nr.: 45958 Rezension drucken